Wie Witold Waszczykowski die Verkehrswende in Berlin verhinderte

Was die Weltwirtschaft betrifft, so ist sie verflochten. Diese Aussage wird Kurt Tucholsky zugeschrieben. Wenn er das so gesagt hat, dann hat er wohl recht. Und er war umsichtig: Auf die Verkehrspolitik trifft das scheinbar genau so zu. Eine Glosse.

Wer kennt Witold Waszczykowski? Vielleicht kennen ihn viele nicht dem Namen nach. Er ist der Mann aus Polen, der in seiner Zeit als polnischer Außenminister (2015-2018) ein neues Land erfand, San Escobar. Er ist als Politiker der Überzeugung, “der Klimawandel sei nichts Neues; dieser sei schon in vorindustrieller Zeit bekannt” (Quelle: https://www.europarl.europa.eu/). Und: Er scheint, fast im Alleingang, auch die Verkehrswende in Berlin zu verhindern. Ein wahrer Tausendsassa, offenbar.

Wie schafft er das?

Ein zartes Pflänzlein für den Diskurs von traditionell orientierten Politikern setzte Waszczykowski schon 2016, als er “seine polnischen Werte” deutlich formulierte:

“Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen. Das hat mit traditionellen polnischen Werten nichts mehr zu tun.”

https://de.wikipedia.org/wiki/Witold_Waszczykowski oder https://www.zeit.de/politik/ausland/2016-01/medienreform-polen-kritik-eu-kommission

Radfahrer und Vegetarier, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und jede Form der Religion bekämpfen. Das ist nach Waszczykowski eben nicht die Natur der polnischen Werte, sondern – vermutlich – das Gegenteil. Das wären also Autofahrer (oder Pferdekutschen?), Fleischesser und Öl-, Kohle und Gasheizer (oder sogar solche, die am liebsten mit dem Lagerfeuer heizen). Und natürlich Kirchgänger oder zumindest Gottesfürchtige.

Auf in den Kulturkampf der Werte

Genau dieser Diskurs prägt den so genannten Kulturkampf, der sich im Bereich wie dem Heizungsstreit (“nur noch erneuerbare Energien”), der Akzeptanz anderer Geschlechter (ausgeprägt als Gendern, also religionsfern), dem Schnitzel- und Wursttotalverbot (oder das, was als solches verstanden wird) und eben der Radwege (die den Autofahrenden logischerweise den zugedachten Raum stehlen).

Selbst, wenn man ehrlich ist und feststellt, dass wohl Waszczykowski nicht allein diese Gegnerschaft von “traditionellen Werten” ausgemacht hat, so hat er das Weltbild einer politischen Richtung sicher gut zusammengefasst.

Debatte, Diskurs oder Totschlag?

Ob man nun so weit gehen muss und den Stopp des Berliner Radwege-Baus auch Waszczykowski in die Schuhe schieben sollte, wie das Christian Schwägerl von den Riffreportern tut: Man darf sich doch die Frage stellen, wie eine solche beharrende, nicht diskursfähige Argumentation es so weit schaffen konnte, diese Art von Krönung zu erreichen.

Die Krönung, das ist die Idee einer Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in Berlin, geprägt durch Sätze wie die von Waszczykowski: Man müsse alle mitnehmen, auf dem Weg in die Zukunft. Entgegen aller rationalen Argumente.

Man will also auch die mitnehmen, die lieber zurück wollen, in die gute alte Zeit aus Benzingeruch, täglichem Fleischgenuss, gesellschaftlich verpflichtender Religiösität und autogerechten Städten. Veränderung ja, aber nur ins bekannte Vergangene. Egal, was sinnvoll scheint. Aus Tradition.

Irgendwie habe ich es schon immer geahnt: Auch aus Polen kommen nicht immer nur die schlauesten Ideen.