Mitte 2012 schien das Schicksal der seit 1929 bestehenden Polnischen Fluglinie LOT (deutsch: FLUG) besiegelt. Die Fluglinie drückte ein Schuldenberg von mehr als 200 Mio. Zloty (50 Mio. Euro) obwohl der damalige Vorsitzende noch ein halbes Jahr zuvor von einer „nicht schlechten Kondition“ der Fluglinie sprach.
5 Jahre später gestaltet sich die Situation jedoch anders. Eine strenge Konsolidierung, der Kauf moderner Großraumflugzeuge sowie eine Erweiterung an vor allem außereuropäischen Flugzielen, gibt der totgesagten LOT Grund zum Optimismus.
Ein Blick in die Vergangenheit
Im Gründungsjahr 1929 wurden von Warschau aus lediglich Inlandsflüge nach Gdańsk, Poznań, Lwów, Katowice und Kraków angeboten. In den Folgejahren kamen jedoch schon bald die ersten Auslandsflüge nach Wien, Bukarest Athen, Bejrut und Helsinki dazu. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beschäftigte die LOT knapp 700 Mitarbeiter und flog 15 Länder an, mit einer bunten Flugzeugflotte bestehend aus Mustern amerikanischer, deutscher aber auch einheimischer Produktion.
Der Zweite Weltkrieg setzte der weiteren Entwicklung jedoch ein jähes Ende. Nichtsdestotrotz schafften einige Piloten den Sprung nach England und schlossen sich der dort neu aufgestellten Polnischen Luftwaffe an.
Die Nachkriegszeit war, wie die allgemeinpolitische und wirtschaftliche Situation vom „großen Bruder“ diktiert, sodass die letzten Relikte an westlichen Flugzeugmustern der Vorkriegszeit schon bald durch Sowjetische Muster ersetzt wurden. Erst Anfang der 70er Jahre wurden transatlantische Flüge nach Montreal und New York möglich.
Nach 1989 wurden die sowjetischen Muster bald ausgemustert und einmal mehr durch westliche Modelle ersetzt. Bis zum Vortag der Krise 2012 beschäftigte die LOT etwas mehr als 2000 Mitarbeiter und flog vom Heimathafen, dem Chopin-Flughafen in Warschau, 92 Ziele weltweit an.
2012 – haarscharf am Kollaps vorbei
Die Turbulenzen setzten allerdings nicht von heute auf morgen ein, sondern waren durchaus absehbar. Auch andere größere Fluglinien steckten zu dieser Zeit in Schwierigkeiten.
Was war passiert?
Die allseits bekannte, weltweite Wirtschaftskrise mit Beginn des Jahres 2008, die Konkurrenz der Billigfluglinien die ihrerseits ihr Reiseportfolio erheblich ausweiteten, führten dazu, dass die etablierten Fluglinien ihre Strategie überdenken mussten. Nicht so die LOT, bei der man die Alarmzeichen entweder nicht sehen konnte oder wollte.
Mit dieser Krise hat sich ebenfalls die Polnische Oberste Kontrollkammer (NIK – Najwyższa Izba Kontroli) befasst und dabei einen sehr interessanten Bericht zum einen über die Krise und zum anderen über die Restrukturierung verfasst.
Die makroökonomische Situation spielt sicherlich eine Rolle, doch die NIK nennt als Hauptursache zahlreiche hausgemachte Probleme. Als da wären:
- Undurchsichtige Planung von Einnahmen und Ausgaben
- Ständige Wechsel auf der Managerebene, bei der sich oft Freundschaft und/oder politische Verbindungen gegen Kompetenz durchsetzten
- Ständige Wechsel der zukünftigen Ausrichtung/Strategie
- Mangelhafte Kontrolle/Aufsicht seitens der damaligen Regierung PO/PSL
All diese haarsträubenden Zustände führten dazu, dass die traditionsreiche LOT sich nur noch deswegen über Wasser halten konnte, indem immer mehr eigenes Vermögen verkauft wurde, die Gläubiger sich gutherzig zeigten und die Regierung letztendlich eine Hilfe in Höhe von 530 Mio. Zloty gewährte. Umso erstaunlicher ist es, dass die Regierung als mit Abstand größter Anteilseigner erst aufgewacht ist, als es quasi schon 5 nach 12 war. Man hätte erwarten können, dass man auch im eigenen Interesse sich früher für die Zustände interessieren hätte können und ein Aushängeschild Polens im Ausland nicht fallen lässt. Aber das passt meiner Meinung nach zur damaligen Regierung, die sich nach Außen gern offen, liberal, tolerant und fortschrittlich zeigte, aber die Zeichen der Zeit im eigenen Land nur peripher anging.
Licht am Ende des Tunnels
Die Krise des Jahres 2012 wirkte noch lange Zeit nach, daran konnte auch die Beschaffung der acht hochmodernen Boeing „Dreamliner“, die Mitgliedschaft in der prestigeträchtigen „Star Alliance“ sowie die 2013 begonnene rukturierung nichts ändern. 2014 gelang es zum ersten Mal seit 7 Jahren, wieder Gewinne zu erwirtschaften – doch war man damit noch lange nicht über dem Berg. Die NIK prognostizierte besonders das Jahr 2016 als kritisch, da man vor der Notwendigkeit stand neue Flugziele ins Portfolio aufzunehmen sowie weitere vier „Dreamliner“ zu kaufen. Ebenfalls konnte man mögliche Auswirkungen des Regierungswechsels im Jahr 2015 nicht absehen.
Mit Mut und Ehrgeiz in die Zukunft
Seit 2016 wurden insgesamt mehr als 20 neue Flugverbindungen aufgebaut und der Kauf neuer Flugzeuge steht an. Neben zahlreichen neuen innereuropäischen Zielen, ist nun u.a. eine Reise nach Seoul, Los Angeles, Cuba, Sri Lanka oder Tansania von Warschau möglich. Weiterhin sollen ebenfalls nun von Budapest aus Flüge mit der LOT nach Übersee möglich sein. Die allgemeine Erholung der Wirtschaft sowie die Tatsache, dass die per se für alles kritisierte, jetzige Regierung bei der Restrukturierung genauer hinschaut, führten dazu, dass die LOT nun optimistisch in die Zukunft blicken kann. So konnte die LOT nun auf einen Gewinn von 300 Mio. Zloty blicken und den Schuldenberg der vergangenen Jahre auf 30 Mio. Zloty reduzieren.
Wie in jedem Unternehmen sind ein gewisses Risiko sowie das Ergreifen richtiger Maßnahmen zur richtigen Zeit unabdingbar, damit das Unternehmen nicht irgendwann „unter die Räder“ gerät. Die allgemeine wirtschaftliche Situation ist günstig, es wird also investiert und ausgebaut. Meiner Meinung nach, die richtige Richtung, mit der LOT auch weiterhin polnisch bleibt und von Polen aus in die Welt fliegen kann.