Es sind zwangsläufig immer nur Bruchstücke der Bühnenkultur, die aus einem Land ihren Weg in andere Länder, die große weite Welt gar, finden, gewissermaßen „exportiert“ werden. Mal sind es staatliche Fördergelder, die diesen Austausch ermöglichen, in gar nicht so seltenen Fällen einfach die aalglatte Produktion kombiniert mit einem gewaltigen Marketing-Budget und Allerweltsproblemen, die „im Westen“ überall auf kommerziellen Erfolg zählen kann – sei es auf der Theaterbühne, den Leinwänden oder eben in den Clubs.
Letzteres Phänomen ist im Falle der polnischen Kassenschlager nicht wirklich der Fall. Ersteres zumindest auffindbar, aber auch nicht im Verdacht, den Mainstream zu dominieren. Bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als weiterhin mit offenen Augen die Engagierten und Aktiven aus der polnischen Kulturszene zu suchen. Eric Shoves Them In His Pockets gehören dazu. Die drei Warschauer haben ihr zweites Album With Love soeben auf dem Indie-Label Thin Man Records veröffentlicht (das seine exquisiten Veröffentlichungen übrigens auch nach Deutschland verschickt, so man sie nur findet, was zugegeben erschwert wird durch die bedauernswerte Abschaltung der englischen Sprachversion des Web-Stores). Und abgesehen von der über jeden Zweifel erhabenen Qualität ihrer Songs, von denen sie einige bereits im Januar auf Bühnen in Deutschland vorstellten, gehören sie einfach zu denen, die allein deshalb zu bewundern sind: Weil sie aktiv sind. Weil sie den Mund aufmachen. Auf ihre Art und Weise.
Über die Grenze hinweg, immer wieder
With Love ist nicht eben ein politisches Statement, aber auf der Release-Tour im April neben Warschau, Krakau, Poznan und Trójmiasto ganz selbstverständlich auch Berlin auf dem Tourplan zu haben, wird in Zeiten nationalistischen Furors eben schon zum kleinen politischen Zeichen, zum weltanschaulichen Bekenntnis. Man schert sich nicht darum, Menschen auf die Füße zu treten, sondern nennt seine Neben-Band eben Queer Resource Center, denn mal ehrlich, wer sollte sich schon davon auf die Füße getreten fühlen, dass das Spaß-Projekt das Wort „queer“ im Namen trägt? Doch es gibt sie, diese Holzköpfe, überall. In Warschau und Berlin vielleicht seltener als in der Peripherie, aber es gibt sie auch dort.
Die „Eriki“ sind natürlich nicht die einzigen, die sich Gedanken darum machen, wie es weitergeht, in so einer europäischen Stadt wie Warschau, in so einem kranken Europa, wie wir es gerade erleben. Aber sie sind eine Band von wenigen, die ihre Musik über unsere gemeinsame deutsch-polnische Grenze mit ganz unpolitischen Klängen über das Slacker-Leben von Mittzwanzigern und dieses Mädchen, wegen dem man am liebsten heulen würde, aktiv an unsere Ohren tragen, was uns den Stream des neuen Albums hier beschert:
With Love by Eric Shoves Them In His Pockets
Die drei Jungs beweisen auch, dass man als unbekannter Act, wo immer man auch auftreten will, es in Kauf nehmen muss, in Vorleistung zu gehen, wenn man nicht, siehe oben, auf staatliche Fördergelder vertrauen will oder kann, oder eben völlig seelenlose Massenware produzieren möchte. Wie viele Konzerte musste die Band vor einer zweistelligen Zahl von Leuten spielen, bevor sie „ihre“ Leute fanden? Es waren einige. Diese Herausforderung ist dieselbe in Polen und Deutschland. In diesem Sinne wünscht man sich mehr Mut – nicht aufseiten der Bands, von denen spielen mehr als man sich gesunderweise anschauen kann – sondern Mut beim Publikum, den interessant klingenden Bandnamen auszuchecken, der seltsamen Ankündigung zu folgen oder einfach nur den Abend, an dem man nichts besseres zu tun hat, im Alternativen Jugendzentrum im Ort oder dem kleinen Club in der nächstgrößeren Stadt zu verbringen. Es wird sich lohnen, für die auf und die vor der Bühne. Das Release-Konzert der Polen in Berlin war übrigens gut besucht.
Das Album With Love könnt Ihr in Deutschland digital über verschiedene mp3-Händler oder als CD bei Thin Man Records erwerben.