(Mainz, WB) Die Kolberger sind stolz auf die neueste Geschichte ihrer Heimatstadt. Zur diesjährigen Begegnung mit der Geschichte der Stadt an der Persante (Polnisch: Parsęta) gehört der 67. Jahrestag ihrer Eroberung durch polnische und russische Truppen. Die Schlacht um Kolberg hat viele Leben gekostet, sowohl auf deutscher als auch polnischer Seite. Die kurze Geschichte über einen der schwierigsten Kämpfe hat auch einen symbolischen Wert. Die Feiern des vergangenen Wochenendes erinnerten an die Geschehnisse, unter Beisein von damals beteiligten Soldaten und heutiger politischer Prominenz. So gab es eine Gedenkzeremonie auf dem Friedhof, Ehrungen verdienter Menschen und eine Messe sowie eine Militärparade. Auch ein Erinnerungslauf fand statt.
Sammelpunkt für Flüchtlinge aus dem Osten
Im November 1944 wurde auf Befehl Adolf Hitlers die Hafenstadt Kolberg zur Festung gemacht. Ab diesem Moment lagen alle Entscheidungen über die Vorbereitung auf den Vormarsch der Roten Armee und die anschließende Kampführung in den Händen des Kommandanten der Festung Oberst Fullriede. Anfang März 1945 war die Festung mit ihren Verteidigern – meistens Wehrmachtsoldaten, Volkssturmmännern, Matrosen und zivilen Verteidigern – auf die kommende Front vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Stadt etwa 35.000 Einwohner, bis zum 4. März erreichte sie die Zahl von 85.000. Es waren vorwiegend Flüchtlinge aus Ostpreußen, die mit den Zügen und Schiffen über die Ostsee nach Westen wollten. Die panische Angst vor den sich nähernden Roten Armee und der Rache Stalins für den deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 war sehr groß. An diesem Tag verließen die ersten Schiffe, Frachter und Boote die Stadt – insgesamt hatten sie 2200 Menschen an Bord.
Die entscheidenden Kämpfe
Am 4. März begann der heftige Ansturm der russischen Infanterie, mit dem die Deutschen gerechnet hatten. Noch am Nachmittag schafften es die Russen, die deutsche Panzersperre zu erobern. Das endete in einem harten Häuserkampf. Gleichzeitig wurden Flüchtlinge weiterhin auf dem Schiffsweg nach Westen abtransportiert. Am frühen Morgen, dem 8. März, kamen die polnischen Soldaten zum Einsatz. Es war anfangs die 6. Infanteriedivision, der der Ansturm nicht gelang, bis endlich die 3. Infanteriedivision in die Festung vordrang. Dem Wunsch Hitlers folgend, kämpften die deutschen Soldaten, die von der Zivilbevölkerung unterstützt wurden, um jedes einzelne Haus. Man berichtet sogar von Fällen, in denen die fanatischen Verteidiger sich freiwillig an ihre Feuerstellungen anketteten, um sich auf diese Weise keine Chance zur Flucht zu ermöglichen. Ab dem 12. März fordert das russische Militär ohne Erfolg über die Lautsprecher die deutschen Soldaten auf, mit dem weiteren Verteidigungskampf aufzuhören. Die Polen wurden in den nächsten Tagen durch schwere Panzer, Artillerie und die 4. Infanteriedivision sowie das 1. Fliegerregiment namens ‘Warszawa’ verstärkt. Da die Verluste auf der polnischen Seite sehr hoch waren, wurde der Feuerbeschuss kurz eingestellt. Am 14. März schlug man dem deutschen Kommandanten der Festung Kolberg Fullriede vor, den weiteren – sinnlosen – Kampf aufzugeben. Die Antwort war jedenfalls eindeutig und zu erwarten: „1807 schafften es die Truppen Napoleons nicht, Kolberg zu erobern, umso mehr schaffen es diesmal nicht die Polen“ – was zur Fortsetzung der Kämpfe führte. Bis zum 17. März gab es die schwersten Kämpfe in der Innenstadt, am Bahnhof und vor allem im Hafen, wovon sich die letzten deutschen Soldaten auf die See in die Richtung Swinemünde (Polnisch: Świnoujście) evakuierten. Rund 350 deutschen Soldaten ist die Flucht nach Westen nicht gelungen; sie gelangten in Gefangenschaft.
Die Vermählung mit dem Meer
Am 18. März 1945 fanden nachmittags in der Nähe des heutigen Leuchtturms die Feierlichkeiten der Vermählung mit dem Meer statt, bei denen der Korporal Niewidziajło einen Ring in die Wellen als Zeichen der Zugehörigkeit der Ostsee zu Polen warf. Zum 65. Jubiläum dieser Ereignisse gab es am 20. März 2010 eine symbolische Vermählung Polens mit der Ostsee. Der polnische Präsident Lech Kaczyński überreichte dem Museum für Polnische Waffen in Kolberg (Polnisch: Kolobrzeg) die Replik des Vermählungsringes: „Ich glaube fest daran, dass dieser Ring als symbolischer Beweis für die Erneuerung der Vermählung im Jahr 1920 durch General Józef Haller und 1945 durch Korporal Franciszek Niewidziajło die nächsten Generationen an die Wiedergewinnung des Zugangs zum Meer durch Polen erinnern wird“.
Laut dem „Ehrenbuch der im Zweiten Weltkrieg in Kolberg Gefallenen“ von Dr. Hieronim Kroczynski sind rund 1300 polnische und 268 deutsche Soldaten im Kampf um Kolberg gefallen; 173 deutsche Soldaten gelten als vermisst.