Polen, Tschechien und die Slowakei – eine Reise durch das Dreiländereck

Meine Reise begann im Teschener Schlesien (Śląsk Cieszyński), welches im Südosten der Woiwodschaft Schlesien liegt und vor allem in der Zeit der qualmenden Schlote und glühender Hochöfen im Oberschlesischen Industrierevier als die „grüne Lunge“ Schlesiens galt.

Das Teschener Schlesien grenzt sowohl an die Tschechische Republik als auch an die Slowakei. Ein Teil des Teschener Schlesiens hat seinen Platz auf dem Gebiet der Tschechischen Republik – die größte Stadt Teschen (Cieszyn) selbst, ist einmal in das Cieszyn auf polnischer Seite sowie in das Tschechisch-Teschen (Český Těšín) geteilt.

St. Nikolaus Rotunde und etwas versteckt, der Piastenturm (Foto: Polen.pl)
St. Nikolaus Rotunde und etwas versteckt, der Piastenturm (Foto: Polen.pl)

Wobei das Wort „geteilt“ an dieser Stelle etwas unpassend ist und negativ klingt. Nur noch „Kenner“ werden wissen, wo sich einst auf den beiden Autobrücken die Grenzgebäude sowie Schranken, die die beiden Städte voneinander trennten, befanden. Heutzutage überquert man die Brücke über den friedlich daher fließenden Fluss Olza und ehe man sich versieht, ist man in Český Těšín bzw. Cieszyn.

Dass das nicht immer so war, verdeutlich ein kurzer Blick in die Geschichte. Besonders in der Zwischenkriegszeit bildete das Teschener Schlesien einen Zankapfel zwischen der nach 123 Jahren wiedererstandenen Republik Polen sowie der neu gegründeten Tschechoslowakei. Dieser Streit eskalierte im sogenannten Polnisch-Tschechoslowakischen Krieg von 1919, der das Verhältnis beider Nationen in der Zwischenkriegszeit nachhaltig belastete und eine Aussöhnung unmöglich machte. Aber wollen wir uns nicht mit Geschichte aufhalten… Polen.pl berichtete darüber bereits hier.

Tschechisch-Polnische Stadtwanderung

Diese gemütliche Wanderung wird uns durch das tschechische und polnische Teschen führen. Die 2,5 km lange Strecke ist zwar kurz, dafür aber reich an kulturellen und historischen Eindrücken. Als Startpunkt wählen wir den aufwändig restaurierten Bahnhof in Tschechisch-Teschen. Von dort aus biegen wir in die Straße Capkova ein und nach wenigen Metern stehen wir am Marktplatz vor dem imposanten Rathaus. Weiter geht es über die Hauptstraße (Hlavni Trida) über die Olzabrücke ins polnische Teschen. Hat man die Brücke hinter sich gelassen, wartet ein kurzer Aufstieg zum Burggelände.

Von der Burg ist allerdings nicht mehr viel übrig, da diese während des Dreißigjährigen Krieges größtenteils zerstört wurde. Doch das, was noch übrig ist, ist wert besucht zu werden. Es wartet die St.-Nikolaus Rotunde aus dem 12. Jahrhundert auf einen Besuch. Hier werden Messen gehalten, aber auch klassische Konzerte aufgeführt. Die Rotunde ist das älteste Bauwerk in ganz Schlesien und hat den Status des wertvollsten Gebäudes im Teschener Schlesien. Jeder Pole hat sie schon gesehen – sie ist nämlich auf dem 20 Złoty-Schein abgebildet. Als zweites Bauwerk überragt der im 15. Jahrhundert erbaute Piastenturm (der letzte von ehemals vier Türmen) die Stadt Teschen. Er ist gegen einen kleinen Aufpreis zugänglich und bietet einen traumhaften Blick auf die Gegend. Wir verlassen das Burggelände und nach einem kurzen Ausflug ins Mittelalter erwartet uns nun etwas italienisches Flair im Teschener Venedig.

Teschener Venedig (Foto: Polen.pl)
Teschener Venedig (Foto: Polen.pl)

Man geht die Straße ul. Przykopa entlang und schon taucht der kleine Nebenfluss der Olza, die Młynówka, auf. Am Ufer dieses Flüsschens stehen kleine, liebevoll restaurierte Häuser, die man über kleine Brücken erreicht. In der Vergangenheit wurden die Häuser von Handwerkern bewohnt, die für ihren Beruf fließendes Wasser benötigten. Heute befinden sich in einem Teil dieser Häuser nette Bars, die zum Verweilen einladen. Dieser Teil des alten Teschens entfaltet besonders in den Abendstunden seinen Reiz. Weiter geht es über eine Treppe zum sogenannten Drei-Brüder-Brunnen (Studnia Trzech Braci). Der Legende nach trafen sich hier im Jahr 810 nach einer langen Reise die drei Brüder des polnischen Königs Leszko III.: Bolko, Leszko und Cieszko. Aus Freude darüber haben sie an dieser Stelle die Stadt Cieszyn (pol. cieszyć się – sich freuen) gegründet. Vom Drei-Brüder-Brunnen ist es nur noch ein Katzensprung bis zur ul. Głęboka, die uns schließlich zum Marktplatz – den „Rynek“ – mit seinen zahlreichen schmucken Häusern führt. Dort kann man in einem der zahlreichen Cafés oder Restaurants seine Eindrücke Revue passieren lassen.

Weiter geht es nach Ustroń/Wisła, wo uns Wanderungen, rustikale Restaurants, zünftiges Essen und reichlich Kultur erwarten.

Sportlich-kulturell unterwegs in Wisła und Ustroń

Die kleinen Touristenstädte Wisła und Ustroń liegen in den Westbeskiden, die wiederum die Ausläufer der Westkarpaten sind. Egal zu welcher Jahreszeit, jeder findet hier „das Richtige“ für sich. Ob eine rasante Skiabfahrt im Winter oder ausgiebige Wander- oder MTB-Touren während des ganzen Jahres.

Von Cieszyn aus erreicht man Ustroń in gut 20 Minuten mit dem Auto. Je näher man Ustroń  kommt, umso schöner ist das Panorama, denn Ustroń liegt eingebettet zwischen den Bergen Równica mit 885 Metern Höhe und Czantoria mit 995 Metern Höhe. Beide Berge lassen sich in einer gemütlichen Tour mit dem Bus bzw. mit einer Seilbahn „erfahren“.

Ausblick vom Berg Czantoria (Foto: Polen.pl)
Ausblick vom Berg Czantoria (Foto: Polen.pl)

Wer es etwas sportlicher mag, kann auch beide Berge „erwandern“. Besonders der 4,5 km lange Wanderpfad nach Równica ist reizvoll. Vorbei an den zahlreichen in Pyramidenform gebauten Sanatorien und Kurkrankenhäusern wählen wir den „Roten Pfad“ Richtung Równica.

Blick von Równica auf Ustroń (Foto: Polen.pl)
Blick von Równica auf Ustroń (Foto: Polen.pl)

Wir lassen die letzten Häuser hinter uns und schon bald beginnt ein steiniger und steiler Aufstieg (ca. 500 Höhenmeter). Unterwegs passiert man einen Gedenkstein und ein Kreuz, die daran erinnern, dass bis zum 17. Jahrhundert hier eine protestantische Waldkirche stand. Dieser Platz lädt zu einer kurzen Rast ein, bevor man die restlichen Höhenmeter erklimmt und mit einem sagenhaften Ausblick auf Ustroń sowie die angrenzenden Gebirgszüge in Polen und der Slowakei belohnt wird. Auf dem Gipfel locken Restaurants, ein Hochseilgarten oder eine Rodelbahn. Besonders das Restaurant „Koliba pod Czarcim Kopytem“ (Hütte unter der Teufelshufe) besticht mit seinem rustikalen und schaurig-schönen Charme. Hier sollte man unbedingt den gegrillten Oscypek mit Preiselbeermarmelade oder eine andere regionale Spezialität probieren.

Als weiteres Highlight von Ustroń sollte man die Woche der Kultur in den Beskiden (Dni Kultury Beskidzkiej) nicht verpassen. Diese findet Anfang August statt und es treten zahlreiche Folklore-Gruppen auf und repräsentieren die Musik und Lebensweise der Bergbewohner (Górale).

An dieser Stelle verlassen wir Ustroń und widmen uns nur noch drei weiteren Highlights –nicht weil es keine weiteren gibt, sondern weil der Platz hierfür nicht ausreicht. In Wisła beispielsweise kann die Adam Małysz-Sprungschanze oder die Sommerresidenz des Präsidenten der Republik Polen besucht werden. Ihre Anfänge reichen in das Jahr 1907 zurück, damals hatte sie den Habsburgern noch als Jagdschloss gedient.

Sommerresidenz des Polnischen Präsidenten in Wisła/Beskiden (Polen.pl)
Sommerresidenz des Polnischen Präsidenten in Wisła/Beskiden (Polen.pl)

Im Jahr 1927 wurde beschlossen, das Gebäude zu restaurieren und es als Residenz der polnischen Präsidenten zu nutzen. Heute ist es Besuchern geöffnet – man sollte jedoch frühzeitig einen Platz reservieren.

Nachdem wir Ustroń und Wisła verlassen haben, fahren wir weiter entlang einer schmalen, kurvigen, aber modernisierten Landstraße inmitten von Wäldern bis zum Dorf Jaworzynka. Unweit dieses Dorfes liegt das Dreiländereck „Trójstyk” zwischen Polen, Tschechien und der Slowakei. Wie in Cieszyn ist auch hier die Zeit der Schlagbäume oder gar Grenzbefestigungen längst vorbei. Heute erinnern in Stein gemeißelte Staatswappen, in welchem der drei Nachbarländer man sich gerade befindet. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Wanderrouten, die über die ehemaligen Grenzen hinaus zum Wandern einladen.

Wir haben nun Polen sowie Tschechien besucht. Als Dritter im Bunde fehlt noch die Slowakei. Da die bisherige Reise viel mit Natur, Wald, Wandern zu tun hatte, wir uns auf der Burg ins Mittelalter begeben oder auf dem Berg Równica kurz dem Teufel die Hand geschüttelt haben, geht es in der Slowakei ebenfalls abenteuerlich weiter. Wir begeben uns nach Terchová in die Heimat des legendären Räuberhauptmanns und slowakischen Volkshelden Juraj Jánošík.

In Terchová auf Juraj Jánošíks Spuren

Terchová liegt mit seinen 4000 Einwohnern am Fuße des Gebirges Kleine Fatra (Malá Fatra), welches wiederum ein Ausläufer der Westkarpaten ist. Die höchsten

Terchová - im Hintergrund der Tiesňavy-Pass (Foto: Polen.pl)
Terchová – im Hintergrund der Tiesňavy-Pass (Foto: Polen.pl)

Erhebungen sind der Veľký Kriváň mit 1709 Metern sowie der Veľký Rozsutec mit 1610 Metern. Um den Veľký Kriváň zu erklimmen, kann man von Terchová aus den Bus nehmen, der uns durch den Engpass Tiesňavy (eine kurvige Straße inmitten wildromantischer Schluchten) zur Seilbahn ins Vrátna-Tal (Vrátna-Dolina) fährt. Von dort aus führt die Sesselbahn auf den Berg Chleb mit 1450 Metern. Die restlichen ca. 250 Meter muss man zu Fuß zurücklegen, um vom Veľký Kriváň ins Vrátna-Tal zu blicken oder um sich, als nächste Herausforderung, den Veľký Rozsutec anzuschauen.

Ein weiteres, absolutes Highlight stellen die Jánošíkove Diery (Janosiks Löcher) dar. Hierbei handelt es sich um Schluchten, die man auf schmalen, teilweise rutschigen und engen Pfaden und Leitern begeht, durch wilde unberührte Natur und entlang steil abfallender Wasserfälle. Hierbei fühlt man sich wie der legendäre Räuberhauptmann Jánošík, der einmal mehr einen erfolgreichen Raubzug hinter sich gebracht hat und nun mit seinen Kumpanen durch wilde und gleichzeitig undurchdringbare Schluchten schreitet, um seine Beute zu verstecken und es mit den armen Bergbewohnern zu teilen.

Blick vom Veľký Kriváň (Foto: Polen.pl)
Blick vom Veľký Kriváň (Foto: Polen.pl)

Stichwort Juraj Jánošík: Er wurde 1688 in Terchová geboren und 1713 hingerichtet. Er war Anführer einer Räuberbande, die es besonders auf reiche Kaufleute abgesehen hatte. Nach seinem Tod avancierte er zum Nationalhelden, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Seine Taten sind weit über sein Wirken hinaus bekannt – sie reichen bis nach Polen, Tschechien, Ungarn – sogar bis in die Ukraine.

 

Fazit

Auf den Spuren von Juraj Jánošík (Foto: Polen.pl)
Auf den Spuren von Juraj Jánošík (Foto: Polen.pl)

Mein zweieinhalbwöchiger Urlaub im Dreiländereck, welches zudem meine Heimat darstellt, war intensiv, aber erholsam. Ich habe einiges gesehen, wenngleich noch so vieles auf seine Entdeckung wartet. In dieser Region gibt es traditionsreiche Städte mit langer und wechselvoller Geschichte, einen besonderen Menschenschlag, der auf seine Tradition und Kultur stolz ist. Zudem wartet teils unberührte und wilde Natur, in der man Ruhe und Entspannung vom Alltagsstress findet. All das bekommt man auf recht wenigen Kilometern geboten. Von Cieszyn aus sind es 20 km nach Ustroń und nach Terchová knapp 90 km. Wer also abseits der „üblichen“ Urlaubsorte Neues und Anderes entdecken will, der sollte unbedingt diese Region als Urlaubsziel wählen.