Gastbeitrag: “Chłopi” – eine Rezension von Natalia Janiszewska

Seit einigen Wochen ist der Film “Chłopi” in den Kinos zu sehen, der ein paar interessante Einblicke in das ländliche Leben in Polen vor 100 Jahren wirft. Für gut zwei Stunden werden die Zuschauer durch die Regisseure in eine nicht mehr existierende Welt versetzt. Dorota Kobiela Welchman und Hugh Welchman bedienen sich dabei der Geschichte aus dem Buch unter dem gleichnamigen Titel des Nobelpreisträgers Władysław Reymont.

Die Idee, die Szenen erst zu drehen und dann zu malen, wurde bereits durch das Künstler-Ehepaar in ihrem früheren Film „Dein Vincent“ ausprobiert. Jetzt sind statt Van Goghs Gemälde die Werke von polnischen Malern aus dem 19./20. Jahrhundertwende zu sehen. Ein geschultes Auge erkennt mehrere Bilder von Józef Chełmoński („Babie lato“, „Żurawie“, „Kuropatwy“), Leon Wyczółkowski, Ferdynand Ruszczyc, Julian Fałat („Śnieg“) und Władysław Ślewiński („Czesząca się“). Dazu kam auch Inspiration von anderen europäischen Künstlern wie Jan Vermeer („Das Mädchen mit dem Perlenohrhänge“) oder J. F. Millet. Das ist eine ganze Reihe von Bildern, aber ihre kurze Ansicht vor der Kinovorführung macht den Film noch interessanter.

Als Zuschauer werden wir zu Zeugen des Lebens auf dem Lande im Rhythmus der Natur. Hier bewahren die Regisseure Reymonts Aufteilung in Jahreszeiten. Der Schriftsteller fängt an, sein Werk in vier Bänden mit Herbst zu betiteln. Wenn die Tage immer kürzer werden und die Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen die letzte Ernte sammeln, begegnen wir den Protagonisten und Protagonistinnen und erkennen schon erste Leitfäden. Dominikowa, die Mutter von der jungen und hübschen Jagna, plant, dass ihre Tochter den reichen und vor kurzem verwitweten Bauer Maciej Boryna heiratet. Statt des älteren Mannes hat sie seinen Sohn Antek lieber, der jedoch schon seine eigene Familie gründete und zusammen mit seiner Frau zwei Kinder erzieht. Unter seinem leidenschaftlichen, dem Wahnsinn nahen Gefühl zu Jagna leidet seine Frau Hanka. Die schwierige Situation kann sie aber letztendlich zu ihrem Gunsten nutzen und wird trotz (oder auch dank) ihrem tragischen Schicksal reifer. In der Handlung verweben sich zahlreiche Themen: die Zwangsehe, der Generationenkonflikt, die Untreue, verbotene Liebe und klare, oft strenge Regeln des dörflichen Zusammenlebens. Dem Buch ähnlich werden die jeweiligen Haltungen der Protagonisten dargestellt, der Autor enthält sich aber jeglicher Beurteilung. Und die Beurteilung ist in diesem Fall eher nicht die gewünschte Attitüde, stattdessen widmet er sich mehr dem aufmerksamen Beobachten und Begleiten. Das Verhalten der Bauern wird mit der Feststellung verständlicher, dass der Zerfall der lokalen Gemeinde für alle lebensgefährlich ist.

Das manchmal kompromisslose und strenge Vorgehen der Protagonisten und Protagonistinnen kann auch aus der Brutalität der Lebensbedingungen resultieren. Und mit der Natur ist es nicht möglich, Kompromisse einzugehen. Wer nicht genug im Sommer und Herbst erntet, hungert im Winter. Die Älteren, die nicht mehr arbeiten können, werden zur Last.

Das gesamte Bild ergänzt modern arrangierte Volksmusik, die, wenn nötig, Klänge der Natur widerspiegelt, oder durch in Trance führende Töne starke Emotionen wie Sehnsucht oder Begehren ausdrückt. Die Musik insgesamt gehört zum Alltag der Dorfbewohner. Sie begleitet die Bauern bei der Arbeit auf dem Feld oder zu Hause, wird bei den Ritualen oder den christlichen Feiern gespielt und ist ein Teil der Tradition. Im Film wird sie beinahe zu einer zusätzlichen Figur, die als ein stiller Kommentator gezeigte Szenen beschreibt. Der Rapper und Musikproduzent L.U.C. (eig. Łukasz Rostkowski) führt gekonnt den Dialog der Instrumente, hebt diejenigen hervor, die der Szene neue Töne zuschreiben, wie die Orgel beim Tod eines Protagonisten. Die Ergänzung der traditionellen Volksmusik durch moderne Klänge und Motive aus anderen Kulturkreisen macht sie einem breiteren Publikum zugänglich.

Obwohl der Film noch keinen Monat lang in den polnischen Kinos läuft, sahen ihn schon mehr als eine Million Zuschauer. Das bunte und malerische Spektakel verführt mit der Musik, begeistert mit den Farben und zeichnet sich durch ein engagiertes Spiel der Schauspieler und Schauspielerinnen aus. Und das Anschauen im Kino macht in diesem Fall einen Unterschied, weil man mehrere Effekte auf einem kleinen Bildschirm leicht verpassen kann. Und vielleicht gibt es im nächsten Jahr für die Künstler einen Grund zum Feiern, wenn der Film einen Oscar erhält. Dafür drücke ich ganz stark die Daumen.