Die frühere Haupteinkaufsstrasse Ulica Głogowska von Poznań könnte einen Neuanstrich gebrauchen. Die Häuserfassaden sehen grau aus und die ehemaligen Betriebsstätten unweit des Hauptbahnhofs wurden längst zu Büroräumen oder Bildungseinrichtungen umfunktioniert, die dringend Mieter suchen. Konsumtempel von heute entstehen eher abseits der City auf der Grünen Wiese oder ziehen die Besucher mit umfangreichen Shopping- und Erlebnisangeboten an ihren Standort. So funktioniert auch die ehemalige Brauerei Stary Browar mit ihren 177 Läden, 23 Restaurants und bis zu 37 Filmvorführungen täglich.
Kalina Olejniczak und ihre Mitstreiter sehen die Welt des Konsums mit anderen Augen. Sie haben deshalb an der Ulica Głogowska die erste polnische „Po-Dzielnia“ eröffnet, den Namen könnte man mit „Ver-Teilungsraum“ übersetzen. Es handelt sich um eine Tauschbörse, bei der es alles gratis gibt. Das Ziel der Gruppe ist es, eine kritische Öffentlichkeit und eine Gegenkultur zum Konsum zu schaffen. Dabei folgt sie der Maxime des „sharing is caring“.
Einige von ihnen sind bereits länger aktiv an der Sharing-Idee; so gibt es bereits seit Mai 2016 sogenannte „Give-Boxes“ in Poznan. In ihnen kann rund um die Uhr Kleidung getauscht werden. Mit den „Give-Boxes“ vergleichbare Initiativen gibt es auch in anderen polnischen Städten. Ursprünglich stammte die Idee der „Give-Boxes“ aus Berlin.
Weshalb es gerade in Poznań gelungen ist, das öffentliche Interesse für „Teilen, statt Konsumieren“ zu wecken, kann Kalina Olejniczak auch nur vermuten. Posener gelten als besonders tüchtig, vernünftig und sparsam. Vielleicht kommen hier der Wert bzw. die Wertigkeit von Gegenständen besser an, als woanders in Polen. Dazu kommt, dass sich in Poznań ein großer Unterstützerkreis zusammengefunden hat. Über die Fanpage der Initiative melden sich ständig Menschen, die ehrenamtlich mit anpacken und unterstützen wollen.
Die Po-Dzialnia wird gerade mit Regalen und Schränken ausgestattet. Die Stimmung ist gut, obwohl fast alle Unterstützenden ihren eigentlichen Arbeitstag bereits absolviert haben. Dieser Kreis ist bunt zusammengewürfelt: alle Altersklassen, verschiedene Nationalitäten und verschiedene Sprachen sind zu beobachten. Der Laden ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem jeder willkommen ist.
Finanzielle Unterstützung bekommt das Sharingzentrum von verschiedener Seite: der Stadtverwaltung, aus dem Crowdfunding, von Sponsoren und von der Stiftung ProTerra, die sich für Abfallvermeidung und geschlossene Stoffkreisläufe einsetzt. Für die ersten drei Jahre wurde der Initiative die Miete für die Ladenräume von der Posener Stadtverwaltung erlassen.
Das alles bildet eine Grundlage für weitere Entwicklungen. In einem nächsten Schritt sollen auch kulturelle und handwerkliche Werkstätten zugänglich gemacht werden. So soll ein offener, kostenloser und frei zugänglicher Raum für alle geschaffen werden.