Das Leben eines Polen-Allrounders ist nicht leicht. Nein, wirklich nicht. Die meiste Zeit meines beruflichen Lebens verbringe ich nämlich in einem ausgebauten Keller, zwischen Büchern, Lexika, sich mehrenden Papierstapeln – die meinen eigentlich großen Schreibtisch erstaunlich klein wirken lassen – und zwei Bildschirmen. Ja, selbst jetzt, als ich diese Worte an Sie richte, sitze ich unten und genieße das grelle, kalte Licht zahlreicher künstlicher LED-Sonnen. Wäre da nicht eine gewisse natürliche Bräune, die ich, laut meinem Vater (scherzhaft) den Steppenwinden verdanke (ein Teil meiner Vorfahren stammt aus der heutigen Ukraine), würde ich wohl in puncto Blässe Graf Dracula Konkurrenz machen können. Was gibt mir also Kraft durchzuhalten? Ganz klar, der Blick auf meinen Schreibtischkalender!
Reif für die Insel
Auf ebendiesem habe ich, so wie so viele von uns, meine Urlaubstage eingetragen. Manche bevorzugen lieber die Halte-durch-Katze auf Plakaten oder Tassen. Ich hingegen schöpfe Kraft aus roten Ringen, die die Kalendertage, an denen ich frei habe, umrunden. Manchmal, wenn der Urlaub länger geht, mache ich einen schönen langen Strich, statt die Ringe zu bemühen. Das geht schneller und ist übersichtlicher. Und bringt die herannahende Erholung irgendwie besser zur Geltung, finde ich. Ich mache mir langsam Gedanken über die Farbe der Ringe/des Strichs. Rot scheint irgendwie kontraproduktiv zu sein. Es erweckt zwar Aufmerksamkeit, passt aber nicht zur Erholung. Vielleicht stelle ich demnächst auf grün um. Oder blau. Ich bin ein Gewohnheitstier, die Umstellung wird also noch eine Weile dauern.
Der Botschafter
Aber genug von den Ringen und Farben, denn eigentlich versuche ich etwas anderes zu schreiben. Bald soll es soweit sein. Meine beiden Mädels und ich machen uns auf den Weg nach Polen. Und diesmal nehmen wir Freunde mit, was den Urlaub zu etwas Besonderem für mich macht. Ich weiß auch nicht. Irgendwie kann ich es nicht abstellen, denn jedes Mal wenn ich Besuch aus Polen bekomme und meinen Gästen Deutschland zeigen darf, werde ich automatisch zum deutschen Botschafter. Nehme ich dagegen Leute nach Polen mit, laufe ich dem polnischen Botschafter den Rang ab. Das ist so, war so, und wird wohl so bleiben. Ich beschwere mich nicht. Ich berichte nur. Zumal es ja eigentlich ganz cool ist. Jede*r erzählt und zeigt doch gerne Dinge, die er/sie gern hat.
Wie kommt man denn hin?
Wir wollen nach Breslau, Krakau, Zakopane und auf dem Rückweg nach Bunzlau. Wir fahren mit dem Auto. Die Straßen in Polen weisen inzwischen einen soliden, westeuropäischen Standard auf. Kein Wunder, schließlich wurden sie zum Teil mit westeuropäischen Geldern gebaut. Ein gewisses Problem ergibt sich aber trotzdem und heißt: die Maut. In Polen nämlich sind die Autobahnen grundsätzlich kostenpflichtig. Das angeschnittene Problem verbirgt sich in dem Wörtchen „grundsätzlich“ und findet eine unverhoffte Fortsetzung in dem Wort „Tariflandschaft“. Es ist ein überaus wichtiges Wort in Polen, dessen Missachtung mehrere Hundert Euro Bußgeld nach sich ziehen kann.
Zerklüftete Tariflandschaft
Um nicht akademisch zu klingen, möchte ich es an einem ganz konkreten Beispiel erläutern. An einem Beispiel, das mir demnächst bevorsteht. Der Weg nach Krakau führt über die polnische Autobahn A4. Es ist eine Autobahn. Eine – ich kann es nicht oft genug betonen. Ihr Abschnitt von Görlitz nach Breslau ist kostenlos. Von Breslau nach Kattowitz kostenpflichtig. Von Kattowitz nach Krakau kostet es ebenfalls Geld, aber anders. Denn während die Strecke zwischen Breslau und Kattowitz staatlich ist und über eine App bezahlt werden kann (oder auch an einer Tankstelle durch den Kauf eines Tickets), liegt der Abschnitt Kattowitz-Krakau in privater Hand und bleibt dort auch für die nächsten vier Jahre. Hier herrschen nach wie vor die beschrankten Mautstellen, an denen man halten muss. Der Abschnitt ist vergleichsweise teuer und verlangsamt die Fahrt. 2027, das Jahr, an dem die 1997 für 30 Jahre erteilte Betriebserlaubnis ausläuft und die Autobahn komplett an den Staat übergeht, kann nicht schnell genug kommen. Die Bezahlung per Ticket ist übrigens ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Man muss dabei nicht nur das Ziel seiner Reise angeben, sondern auch die Uhrzeit, in der man die Autobahn zu nutzen gedenkt. Es bleibt zu hoffen, dass man zwischendurch nicht allzu oft anhalten muss…
Ich bringe Fotos mit
Aber sei es drum. Ich freue mich trotzdem! Und verspreche ganz viele Fotos mitzubringen, von denen dann einige auf unserem Instagram-Account veröffentlicht werden. Hoffentlich spielt das Wetter mit und frischt meinen bräunlichen Teint ein wenig auf. In diesem Sinne „do zobaczenia w Polsce!“. Und möge die Maut mit mir sein!