Was für ein schönes Bild für die bilateralen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland: Ein Barometer misst den Luftdruck. Herrscht nun dieser Tage ein Gut-Wetter-Hoch oder droht ein Gewittertief in den Beziehungen beider Länder?
Anhand der seit 2000 alle zwei bis drei Jahre von dem Instytut Spraw Publicznych und der Konrad Adenauer Stiftung Polen durchgeführten repräsentativen Befragungen in Polen und Deutschland lässt sich diese Frage auch im Rückblick beantworten. Vor allen Dingen lässt sich besser einschätzen: Steht es um die deutsch-polnischen Beziehungen – oder besser: zwischen Deutschen und Polen – wirklich so schlecht, wie man zuletzt den Eindruck gewinnen konnte oder haben beide Länder nicht seit 2000 ohnehin das eine oder andere Tief überstanden, um im Bild zu bleiben.
Präsentation in Berlin
Am heutigen Dienstag werden die Ergebnisse des Deutsch-Polnischen Barometers 2018 im Rahmen des Körber History Forum erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Körber-Stiftung hat an der diesjährigen Ausgabe mitgewirkt, nachdem zuletzt zwei Mal die Bertelsmann Stiftung als Partner dabei war.
Die gute Nachricht: Der Riss zwischen den Bewohnern der beiden Länder ist lange nicht so tief, wie er sich zwischen den beiden Regierungen derzeit abzeichnet. Vielmehr ist der Anteil der Polen, die Sympathie an Deutschland bekunden 2018 noch gestiegen und zwar auf 56%, während der Anteil der Deutschen mit Sympathien seit jeher deutlich geringer ausfällt und in diesem Jahr auf 29% kommt.
Trotz der neuerlichen, deutlich spürbaren Politisierung der bilateralen Beziehungen seit dem Regierungsantritt der PiS sprechen sich 60% der Polen dafür aus, sich auf die Gegenwart und Zukunft der Beziehungen zu konzentrieren. 70% der Deutschen stimmen dieser Ausrichtung zu.
Im Zentrum der fast ausschließlich in Polen geführten Debatte über ein höheres Gewicht von historischen Bezügen in der Außenpolitik standen die Reparationsforderungen an Deutschland (zu denen es bis heute offizielles Gesuch der polnischen an die Bundesregierung gibt). Während Deutsche weitere Reparationen mehrheitlich ablehnen, sind sich Polen nicht einig: 46% befürworten eine Haltung, wonach Polen Reparationen von Deutschland fordern solle. 40% lehnen diese ab.
Drei Viertel der befragten Polen identifizieren sich mit Europa
Bemerkenswertes führt die unten verlinkte Text-Version zur Identifikation von Deutschen und Polen mit Europa aus: Ein Deutschland, in dem sich nur 54% mit Europa identifizieren und 32% keine Meinung zu Europa zum Ausdruck bringen (“weder noch”), muss Deutsche wie Polen stutzig machen. Dabei sei darauf verwiesen, dass die Frage keinen expliziten Bezug zur Wertegemeinschaft, dem politischen Konstrukt, der Wirtschaftsunion EU oder dem Kontinent machte. Die “Identifikation mit Europa” ist genauso wenig mit der “EU” gleichzusetzen wie daraus eine Ablehnung mit der EU herauszulesen wäre.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. Beurteilten 2012/2013 beiderseits der Oder rund 70% die bilateralen Beziehungen für gut, so geht diese Wahrnehmung mittlerweile sehr weit auseinander: Während 64% der Polen die deutsch-polnischen Beziehungen als “gut” bewerten, sind nur 31% der Deutschen der gleichen Meinung.
Einen Erklärungsansatz liefern die Autorinnen und Autoren der Studie gleich mit: “Diejenigen Deutschen, die Polen regelmäßig besuchen, bewerten das bilaterale Verhältnis viel häufiger positiv (51 Prozent) als diejenigen, die das Nachbarland noch nie besucht haben (28 Prozent).” Und wie groß der Anteil der Polen-Reisenden ist, lernen wir bereits gleich zu Beginn: “Deutsche und Polen kennen sich nicht wirklich. Jeweils zwei Drittel haben ihr Nachbarland seit 1989 noch nie besucht.” Nach den diversen sportlichen und kulturellen Großveranstaltungen der letzten Jahre ein konsternierender Befund der Barometers, der sich eher nach Kopfschmerz-Wetter anfühlt.
Kostenloser Download der Studie:
- in deutscher Sprache (PDF),
- auf Englisch (PDF)
- und auf Polnisch, nach kostenloser Registrierung auf der Website des ISP.
Die Körber-Stiftung stellt außerdem eine Präsentation mit weiteren Kontext-Statistiken und eine detaillierte Auswertung der durch die GFK SE durchgeführten Befragung in Deutschland zur Verfügung.