Geringe Einkommen – große Unterschiede

Eine 2011 veröffentlichte Untersuchung der Firma Sedlak & Sedlak bestätigt erneut, was aufmerksame Beobachter der polnischen Wirtschaft schon lange wissen. Die Unterschiede der Einkommen zwischen den verschiedenen Regionen Polens sind immens. Das Ausmaß der Ungleichheit ist dann aber doch etwas überraschend. Während der durchschnittliche Einwohner der Woiwodschaft Masowien (die Woiwodschaft (ähnlich Bundesland) mit der Hauptstadt Warschau) im Jahr 2010 über 4500 zł brutto monatlich verfügte, lag das Mittel in Lublin (an der östlichen Grenze) bei lediglich 2765 zł. Weniger als 3000 zł betrug der Einkommensmedian in allen östlichen Grenzregionen sowie der Woiwodschaft Heiligkreuz. Die Bewohner der zentralen Regionen Lodz und Kujawien-Pommern verdienten im Mittel gerade 3000 zł. An der deutschen Grenze sind die Gehälter ebenfalls niedrig. Zu den wohlhabenderen Gegenden zählen – mit weitem Abstand hinter Masowien – Pommern, Niederschlesien und Großpolen (mit den Großstädten Danzig, Breslau und Posen).

Auch der Städtevergleich ist eindeutig: In Warschau ist das mittlere Einkommen um 1300 zł höher als in Krakau und um ganze 2000 zł höher als in Lublin, Białystok oder Olsztyn.

 

Alles besser in Warschau?

Die Einkommensunterschiede sind ein wesentlicher Grund für die innerpolnischen Wanderungsbewegungen. Sie müssten laut gazeta.pl allerdings im Verhältnis zu den Lebenskosten betrachtet werden. Abgesehen von Fahrkarten für den Stadtverkehr sei in Warschau alles deutlich teurer als im Rest des Landes. Zudem sollte man nach Berufsgruppen unterscheiden. Ein Kellner oder eine Krankenschwester würden in der Hauptstadt etwa 250 zł mehr verdienen als anderswo. Damit ließen sich die höheren Ausgaben für Wohnung, Lebensmittel und anderes kaum ausgleichen. Der Umzug nach Warschau lohnt sich der Analyse von Sedlak & Sedlak zufolge zwar für Ingenieure oder IT-Spezialisten, aber längst nicht für alle.

 

Und auf dem Land?

In Anbetracht der sofort ins Auge springenden regionalen Unterschiede kann man eine weitere Erkenntnis der Studie leicht übersehen: Die absolute Höhe der Einkommen polnischer Beschäftigter ist in weiten Teilen des Landes nach wie vor äußerst gering. In der Mehrheit der Woiwodschaften liegt das mittlere Einkommen bei unter 3200 zł, umgerechnet etwa 800 €, brutto im Monat. Gleichzeitig nähern sich die Preise in vielen Bereichen dem deutschem Niveau an. Gerade auf dem Land reichen die Gehälter allein oft nicht zum überleben, sind Sozialhilfe oder die Rente der Großeltern die wichtigsten finanziellen Konstanten ganzer Familien. Ohne Frage legen viele Polen eine beachtliche Kreativität an den Tag, wenn es darum geht, mit wenig Geld zurecht zu kommen. Sparen bei Lebensmitteln geht dann häufig einher mit Formen der Subsistenzwirtschaft (zum Beispiel Anbau im eigenen Garten) und zusätzlichen Gelegenheitsjobs. ‘Man schlägt sich so durch’ – im Polnischen gibt es dafür den schönen Ausdruck ‘kombinować’.

Und dennoch: Die weiterhin extrem niedrigen Einkommen in vielen ländlichen Gegenden Polens bei gleichzeitig prosperierender Entwicklung in den Großstädten haben eine soziale Spaltung des Landes zur Folge. Die zentrale Frage der Zukunft muss daher lauten: Wie schafft man es, dass auch die ärmeren Regionen vom wirtschaftlichen Aufschwung Polens profitieren?

Graphische Darstellung der Einkommensunterschiede bei gazeta.pl