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Dariusz Pawlos trifft Olaf Szolc? Polnische Namen in deutschen Medien

Da war noch was. Erinnern Sie sich an den Beitrag, in dem ich mich über die deutsche Aussprache polnischer (Nach-)Namen mokiert habe? Nun, dieses Phänomen (nennen wir es mal zur Vereinfachung so) ist nach wie vor lästig. Was aber genauso irritiert und sich darüber hinaus als äußerst beharrlich erweist, ist das konsequente Ignorieren polnischer Schriftzeichen seitens deutscher Medien. 

Spiegel der Gesellschaft

Und ich meine damit nicht irgendwelche Boulevardzeitungen, die bisweilen selbst mit der deutschen Sprache hadern (Übrigens: Wer in diesem Beitrag Fehler findet, darf sie mir gern senden, ich kümmere mich darum). Ich meine seriöse, meinungsbildende Zeitschriften wie den Spiegel. Und die Wörter, bei denen die polnischen Schriftzeichen regelmäßig ausgelassen werden, sind keine geringeren als Namen gewichtiger Personen. Wie beispielsweise der Familienname des polnischen Botschafters in Deutschland, den der Spiegel, im Zusammenhang mit den Kriegsreparationen, als Herrn “Pawlos” vorstellt.

Nennen wir die Dinge (und Menschen) beim Namen

Nun, der neue polnische Mann in Berlin heißt Dariusz Pawłoś. Den Vornamen nenne ich vorsichtshalber dazu. Nur für den Fall, dass er Ihnen demnächst als Darius o.Ä. begegnen sollte. Sein Fall ist plakativ und aktuell. Und leider stellvertretend für viele weitere, die mir tagtäglich in der deutschen Medienlandschaft (und nicht nur dort) auffallen. 

Wieso, weshalb, warum

Nun ist es wohl an der Zeit zu fragen, warum dem so ist. Warum werden ausgerechnet polnische Namen (gefühlt) ständig verdreht und falsch geschrieben? Und das in einer Gesellschaft, in der es beinahe als Fauxpas gilt, “Barzelona” oder “Malorka”, statt Barselona und Majorka, zu sagen.

Warum gibt eine Gesellschaft, die darüber diskutiert ob es denn angebracht sei, dass Weiße Dreadlocks tragen und die auch sonst teils extrem empfindlich unter anderem auf das Gendern reagiert, so wenig darauf, die Namen ihrer polnischen Nachbarn richtig zu schreiben und auszusprechen?

Weil

Die Standardantwort, die ich auf die so gestellte Frage bekomme, die lautet für gewöhnlich: Weil sie so selten vorkommen. Sprich, die polnischen Schriftzeichen werden regelmäßig übergangen, weil sie wenig präsent sind. Aber sind sie es denn nicht, WEIL sie übergangen werden? Hier werden wohl Ursache und Wirkung geflissentlich durcheinander gebracht. Die polnischen Schriftzeichen sind selten, also werden sie nicht beachtet. Sie werden nicht beachtet, weil sie so selten sind. Ich verneige mich in Demut vor dieser tadellosen Logik. 

Sie sind dran

Was meine eigentlich Sie, unsere geschätzten Leser*innen? Woran liegt es, dass man die polnischen Schriftzeichen konsequent ignoriert und sich manchmal sogar neue, aus anderen Sprachen entliehene, dazu denkt (auch das ist mir schon mehr als einmal untergekommen)? Ist das Ignoranz? Gesundes Halbwissen? Lässigkeit? Oder bin ich in meiner Denkweise zu verfahren? 

Wie du mir, so ich dir

Letzteres könnte durchaus zutreffen. Vielleicht denke ich einfach zu engstirnig und verbissen? Andererseits frage ich mich, wie es wohl für die Deutschen wäre, wenn die Polen ähnlich verfahren würden und zum Beispiel den Nachnamen des polnischen Regierungssprechers Piotr Müller schlichtweg als “Muller” schrieben. Oder schlimmer noch – was wäre wenn sie es bei den deutschen Politiker*innen tun und ihre Namen an die polnische Schreibweise anpassen würden? Also Olaf Szolc zum Beispiel, oder Frank Walta Sztainmaja? Wobei in diesem Fall zumindest die Phonetik stimmen würde. Bei “Pawlos” klappt nicht einmal das. 

Wie würde derartiges Vorgehen in Deutschland ankommen und gewertet werden? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung. Wirklich! 

Bogumil Palka. Pardon, Bogumił Pałka

Bogumil Palka

Bogumil ist in Polen geboren und seit seinem 14. Lebensjahr in Deutschland zu Hause. Er studierte Pädagogik in Bielefeld und Stockholm und "Polen und Deutsche in Europa" (kurz EuPoD) in Kiel und Posen. Bogumil absolvierte zahlreiche Praktika im deutsch-polnischen Kontext, darunter am Deutschen-Polen Institut in Darmstadt und dem Polnischen Generalkonsulat in Hamburg. Er war Teilnehmer und Veranstalter verschiedener Begegnungen, Projekte und Tagungen und ist freiberuflicher Sprachmittler und Teamer.

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  • Die Litauer machen genau das, und bisher ist es nicht zu deutschen nationalistischen Wutausbrüchen kommen...

    Ich zitiere aus der litauischen Wikipedia:

    Olafas Šolcas (vok. Olaf Scholz; g. 1958 m. birželio 14 d. Osnabriuke, Vokietijoje) – vokiečių politikas, šalies federalinis kancleris (nuo 2021 m.), socialdemokratų partijos (SPD) veikėjas.

  • Nun, abgesehen davon, dass die Litauer alle, wirklich alle Namen und Vornamen offiziell "litausieren" (darunter auch die polnischen, englischen, spanischen usw.), dient dieses Vorgehen in Ihrem Beispiel ausschließlich der Phonetisierung des Namens "Scholz". Es hilft also den Litauern dabei, den Namen des Kanzlers richtig auszusprechen. Die Schreibweise "Pawlos" dient diesem Zweck indes ganz und gar nicht. Im Gegenteil - sie verfälscht ihn bis zur Unkenntlichkeit.
    Zur Erinnerung: Pawłoś wird "pawuoch" ausgesprochen (das "ch" klingt wie das "ch" in "lieblich" oder wie das "g" in "Honig").

    Danke für Ihre überraschend schnelle Rückmeldung!

  • Das Paradoxon der Ignoranz :D
    Lustig, dass man sich mit sowas rechtfertigt.

    Ich denke, dass vieles von dieser gesellschaftlichen Sensibilität (wie beim Thema Gendern) ein Ausdruck von Druck ist, der auf der Politik lastet, um sich selbst möglichst gut (moralisch korrekt und tolerant) darzustellen. Es ist eine reine Zweckerfüllung. Ich habe persönlich noch nie von jemandem gehört, der Gendern als notwendig empfand, dafür sehr viele als lästig und unnötig.
    Das spricht schon für sich.

    Dafür spricht auch, dass diese Toleranz kein bereichübergreifendes Phänomen (wie Sie es mit dem Ignorieren polnischer Schreibweisen verdeutlich haben), sondern eben nur "zweckdienlich".

  • Während ich das jetzt tippe, suche ich verzweifelt nach polnischen Schriftzeichen auf meiner Tastatur. So geht es sicherlich auch vielen Journalisten, die Nachrichtenmeldungen von reuters oder dpa etwas überarbeitet veröffentlichen.

  • In der Aussprache von Namen verhält es sich ähnlich: Exemplarisch konnte man die Wandlung bei den in der Bundesliga spielenden polnischen Fußballern sehen: aus Kuba wurde mit der Zeit Błaszczykowski , aus Piatek wurde Piątek und Lukas wurde zu Łukasz Piszczek. Ich denke manches Sonderzeichen ist nicht nur aufgrund von Ignoranz weggelassen worden, sondern um die Dinge bei der Aussprache zu vereinfachen. Zudem kommt das Problem, dass in Deutschland viele polnische Nachnamen assimiliert wurden und die Sonderzeichen verschwunden sind.

    In der Schriftsprache dagegen könnte man von den Redakteuren schon verlangen die polnischen Namen korrekt zu schreiben. Schließlich klappt es bei den französischen Sonderzeichen ja auch irgendwie.

  • Ich bin sehr dafür, dass die polnischen Buchstaben auch in nicht polnischen Texten exakt wiedergegeben werden. Denn Białystok wird nun mal anders ausgesprochen als Bialystok. Es ist ja ziemlich einfach, im Internet eine Tabelle zu finden, in der der Codes für diese Zeichen genannt sind.
    Beispiel: das ł wird mit der Tastenkombination Alt und die Eingabe der Ziffern 322 auf den Bildschirm "gezaubert".

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