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Der 18. März 2012 war der 67. Jahrestag der Kämpfe um Kolberg: Eine kurze Geschichte des Eroberungskampfes

(Mainz, WB) Die Kolberger sind stolz auf die neueste Geschichte ihrer Heimatstadt. Zur diesjährigen Begegnung mit der Geschichte der Stadt an der Persante (Polnisch: Parsęta)  gehört der 67. Jahrestag ihrer Eroberung durch polnische und russische Truppen. Die Schlacht um Kolberg hat viele Leben gekostet, sowohl auf deutscher als auch polnischer Seite. Die kurze Geschichte über einen der schwierigsten Kämpfe hat auch einen symbolischen Wert. Die Feiern des vergangenen Wochenendes erinnerten an die Geschehnisse, unter Beisein von damals beteiligten Soldaten und heutiger politischer Prominenz. So gab es eine Gedenkzeremonie auf dem Friedhof, Ehrungen verdienter Menschen und eine Messe sowie eine Militärparade. Auch ein Erinnerungslauf fand statt.

Sammelpunkt für Flüchtlinge aus dem Osten

Im November 1944 wurde auf Befehl Adolf Hitlers  die Hafenstadt Kolberg zur Festung gemacht. Ab diesem Moment lagen alle Entscheidungen über die Vorbereitung auf den Vormarsch der Roten Armee und die anschließende Kampführung in den Händen des Kommandanten der Festung Oberst Fullriede. Anfang März 1945 war die Festung mit ihren Verteidigern – meistens Wehrmachtsoldaten, Volkssturmmännern, Matrosen und zivilen Verteidigern – auf die kommende Front vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Stadt etwa 35.000 Einwohner, bis zum 4. März erreichte sie die Zahl von 85.000. Es waren vorwiegend Flüchtlinge aus Ostpreußen, die mit den Zügen und Schiffen über die Ostsee nach Westen wollten. Die panische Angst vor den sich nähernden Roten Armee und der Rache Stalins für den deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 war sehr groß. An diesem Tag verließen die ersten Schiffe, Frachter und Boote die Stadt – insgesamt hatten sie 2200 Menschen an Bord.

Die entscheidenden Kämpfe

Am 4. März begann der heftige Ansturm der russischen Infanterie, mit dem die Deutschen gerechnet hatten. Noch am Nachmittag schafften es die Russen, die deutsche Panzersperre zu erobern. Das endete in einem harten Häuserkampf. Gleichzeitig wurden Flüchtlinge weiterhin auf dem Schiffsweg nach Westen abtransportiert. Am frühen Morgen, dem 8. März, kamen die polnischen Soldaten zum Einsatz. Es war anfangs die 6. Infanteriedivision, der der Ansturm nicht gelang, bis endlich die 3. Infanteriedivision  in die Festung vordrang. Dem Wunsch Hitlers folgend, kämpften die deutschen Soldaten, die von der Zivilbevölkerung unterstützt wurden,  um jedes einzelne Haus. Man berichtet sogar von Fällen, in denen die fanatischen Verteidiger sich freiwillig an ihre Feuerstellungen anketteten, um sich auf diese Weise keine Chance zur Flucht zu ermöglichen. Ab dem 12. März fordert das russische Militär ohne Erfolg über die Lautsprecher die deutschen Soldaten auf, mit dem weiteren Verteidigungskampf aufzuhören. Die Polen wurden in den nächsten Tagen durch schwere Panzer, Artillerie und die 4. Infanteriedivision sowie das 1. Fliegerregiment namens ‘Warszawa’ verstärkt. Da die Verluste auf der polnischen Seite sehr hoch waren, wurde der Feuerbeschuss kurz eingestellt. Am 14. März schlug man dem deutschen Kommandanten der Festung Kolberg Fullriede vor, den weiteren – sinnlosen – Kampf aufzugeben. Die Antwort war jedenfalls eindeutig und zu erwarten: „1807 schafften es die Truppen Napoleons nicht, Kolberg zu erobern, umso mehr schaffen es diesmal nicht die Polen“ – was zur Fortsetzung der Kämpfe führte. Bis zum 17. März gab es die schwersten Kämpfe in der Innenstadt, am Bahnhof und vor allem im Hafen, wovon sich die letzten deutschen Soldaten auf die See in die Richtung Swinemünde (Polnisch: Świnoujście) evakuierten. Rund 350 deutschen Soldaten ist die Flucht nach Westen nicht gelungen; sie gelangten in Gefangenschaft.

Die Vermählung mit dem Meer

Gedenkfeier auf dem Friedhof Kolobrzegs (Kolbergs)

Am 18. März 1945 fanden nachmittags in der Nähe des heutigen Leuchtturms die Feierlichkeiten der Vermählung mit dem Meer statt, bei denen der Korporal Niewidziajło einen Ring in die Wellen als Zeichen der Zugehörigkeit der Ostsee zu Polen warf. Zum 65. Jubiläum dieser Ereignisse gab es am 20. März 2010 eine symbolische Vermählung Polens mit der Ostsee. Der polnische Präsident Lech Kaczyński überreichte dem Museum für Polnische Waffen in Kolberg (Polnisch: Kolobrzeg) die Replik des Vermählungsringes: „Ich glaube fest daran, dass dieser Ring als symbolischer Beweis für die Erneuerung der Vermählung im Jahr 1920 durch General Józef Haller und 1945 durch Korporal Franciszek Niewidziajło die nächsten Generationen an die Wiedergewinnung des Zugangs zum Meer durch Polen erinnern wird“.

Laut dem „Ehrenbuch der im Zweiten Weltkrieg in Kolberg Gefallenen“ von Dr. Hieronim Kroczynski sind rund 1300 polnische und 268 deutsche Soldaten im Kampf um Kolberg gefallen; 173 deutsche Soldaten gelten als vermisst.

polenpl

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  • Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt für Deutschland schon längst verloren. Es wäre sinnvoller gewesen, die Zivilbevölkerung zu evakuieren und die Stadt kampflos zu übergeben. So hätten viele Menschen nicht sterben müssen.

  • Djen dobry,
    (wahrscheinlich falsch geschrieben, aber nicht weniger herzlich als gemeint),
    als 7Jähriger bin ich mit Mutter, Großmutter und Bruder aus Kolberg per Schiff (Kohlenfrachter Hendrik Visser) aus dem brennenden und total zerstörten Kolberg geflohen.
    Mein Name ist polnischen Ursprungs. Vor etwa drei Jahren war ich in Kolberg und bin voller Hochachtung, wie gut die Stadt wieder aufgebaut ist; sogar das Haus, in dem ein Großonkel eine Gastwirtschaft betrieben hat, habe ich wiedererkannt.
    Ich habe in Polen (Kolberg wie Svinemünde) nur freundliche Menschen getroffen. Demnächst machen wir wieder Urlaub in Scinemünde.
    Freundliche Grüße
    Peter Maronde
    Pappelstraße 6
    28857 Syke

  • Mein Vater, Hans Behnke wurde 1918 in Altwerder ( Krs. Kolberg) geboren. Er wurde 1942 eingezogen und auf dem Rückzug 1944 im Litauisch/Lettischen Grenzgebiet schwer verwundet, wobei er sein rechtes Auge verlor. Er kam danach nach Kolberg in eine „Genesungskompanie“, wo er „auf links ausgebildet“ wurde. Dort befand er sich auch als Kolberg eingekesselt wurde. Somit hat mein Vater quasi seine Heimatstadt bis zum Schluss verteidigt. Er kam in sowjetische Gefangenschaft, aus der er aber nach 3 Tagen floh. O-Text meines Vaters: „Die wollten mich nach Russland bringen. Da war ich schon mal, hat mir nicht gefallen, darum bin ich getürmt.“ Da mein Vater Weg und Steg in und um Kolberg kannte, war das für ihn einfach. Er ging einfach nach Hause zurück.
    Meine Großeltern hatten in Altwerder eine Landwirtschaft. Nach ca. einer Woche tauchte dort eine Gruppe Rotarmisten auf und als sie meinen Vater sahen, wollten sie ihn festnehmen, da sie ( zu Recht ) vermuteten, daß mein Vater ein geflohener Soldat sein müsse und ihm ja ein Auge fehle, was er sicherlich in Stalingrad ?! verloren habe. Zu dieser Zeit hatten meine Großeltern noch eine junge polnische Magd ( Zwangsarbeiterin ) die aber von meinen Großeltern und auch von meinem Vater stets sehr gut behandelt worden ist. Sie sagte den Russen, daß mein Vater sein Auge schon als Kind verloren habe und daß er deshalb auch nicht Soldat geworden sei. Damit gaben sich die Rotarmisten zufrieden und verließen den Hof.
    Mein Vater hat mir später oft von Martha ( so der Name der Polin ) erzählt. Ich glaube die beiden haben sich sehr gemocht … !
    Meine Schwester Karin ist im Dezember 1946 noch auf dem Bauernhof meiner Großeltern zur Welt gekommen, bevor unsere Familie ihn 1947 verlassen mußte ( Vertreibung ).
    Irgendwann möchte ich ( Jahrgang 1962 ) einmal nach Kolobrzeg/Kolberg fahren, nur um zu sehen wo meine pommerschen Wurzeln liegen.

  • Am 14.März verliessen meine Mutter, Schwester und ich (8 Jahre alt) auf dem Seeweg Kolberg. Wir haben die Kämpfe um unserer Heimatstadt in aller Grausamkeit miterlebt und waren froh, dass wir über den Seeweg Zwinemünde nach 2 Tagen erreichten. Im Hafen von Kolberg herrschte zu der Zeit Chaos. Es standen leere Kinderwagen, herrenlose Fuhrwerke, mit denen aus dem Osten geflüchtet worden war überall herum und Pferde, deren Besitzer auf die Schiffe drängten, standen mit hängenden Köpfen in den Stsssen. Sie machten einen trostlosen Eindruck und man hatte das Gefühl, dass auch sie wussten, es geht zu Ende; denn wo gab es Futter in einer eiskalten, zerbomten Stadt.

  • Sehr geehrter Herr Kaapke,
    das ist ein wichtiger Zeitzeugenbericht. Wenn Sie darüber Erinnerungen notieren und veröffentlichen möchten, ist das bestimmt für viele Menschen interessant. Der Verein Freunde Kolbergs e.V. und die Internetseite Kolberg-Cafe.de sammeln Erinnerungen und veröffentlichen diese gern.
    Freundliche Grüße
    Jens Hansel

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