Ein Prozent für einen guten Zweck – Wie man in Polen über die Verwendung seiner Steuern mitbestimmen darf

Werbung der Kinderhilfsorganisation “Siemacha”, Foto: Polen.pl (HZ)

Steuern müssen überall bezahlt werden, und jedes Land hat seine Vorschriften. In Polen sind sie, zumindest was die Einkommensteuer betrifft, relativ einfach; denn es gibt nur zwei Tarife: Verdient man weniger als 85.528 Złoty im Jahr, zahlt man 18 Prozent, sind es mehr, muss man für den Mehrverdienst 32 Prozent abgeben.  Als Steuerpflichtiger hat man in Polen seit 2004 außerdem die Möglichkeit, zumindest für einen geringen Teil seiner Abgaben selbst zu entscheiden, wofür sie verwendet werden. Ein Prozent der jährlichen Steuerlast kann man direkt an eine sogenannte OPP (organizacja pożytku publicznego – wörtlich: Organisation öffentlichen Nutzens bzw. gemeinnützige Organisation) überweisen lassen.

Wie das funktioniert? Hat man die Steuererklärung korrekt ausgefüllt und die Summe der Steuerlast ermittelt, so lautet die letzte Frage, ob man ein Prozent dieser Summe an eine gemeinnützige Organisation spenden möchte. Trägt man hier die Handelsregisternummer einer OPP ein, überweist das Finanzamt das Geld an die Organisation, lässt man es leer, fließen 100 Prozent an den Staat. 7.663 Organisationen sind laut dem Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik im Moment offiziell als OPP registriert und können von der Regelung profitieren.

Wettbewerb unter gemeinnützigen Organisationen

Um das eine Prozent entbrennt jedes Jahr kurz vor dem Stichtag am 30. April ein Konkurrenzkampf unter den gemeinnützigen Organisationen; denn für viele von ihnen stellt es den Hauptteil ihrer Einkünfte dar. Die Anzahl der in Polen Steuerpflichtigen, die ein Prozent ihrer Steuern Nichtregierungsorganisationen zugute kommen lassen, steigt zwar von Jahr zu Jahr, lag aber laut dem Finanzministerium für 2012 nur bei 44 Prozent. Es gibt also noch erhebliches Potential und dieses schürt den Wettbewerb und die Werbetätigkeiten.

Je näher der Abgabetermin für die Steuererklärung rückt, desto mehr Plakate und Werbebanner gemeinnütziger Organisationen tauchen im öffentlichen Raum auf. Ein beliebtes Mittel größerer Organisationen ist es, elektronische Programme zum Berechnen und Ausdrucken der Steuererklärung kostenlos zur Verfügung zu stellen. In ihnen ist das letzte Feld dann schon ausgefüllt – mit der Registernummer eben dieser Organisation.

Wer profitiert von den Steuereinnahmen? Laut dem Bericht des Finanzministerium für das Jahr 2012 flossen insgesamt 480 Millionen Złoty an gemeinnützige Organisationen.  Mehr als eine Million Złoty konnte von 65 Organisationen eingeworben werden, während sich etwa zwei Drittel mit weniger als 10.000 Złoty zufriedengeben mussten. Ein Großteil der Organisationen mit hohen Einkünften aus dem Steueraufkommen sind im Gesundheitsbereich tätige Stiftungen, darunter viele, die die Behandlung schwerkranker Kinder finanzieren.

Ein Großteil der Einnahmen ergänzt die Leistungen des Gesundheitssystems

In Polen, dessen Gesundheitssystem die spezielle und kostenaufwendige Behandlung schwerkranker Kinder nicht vollständig übernimmt, sind viele Familien auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Dies ist einer der Gründe dafür, warum ein Großteil der Einkünfte aus dem einen Prozent an solche Stiftungen fließt.

Unter dieser Entwicklung leiden andere gemeinnützige Organisationen, deren Einkünfte aus dem Steueraufkommen zurückgehen. Es wird kritisiert, dass der ursprüngliche Zweck der 2004 eingeführten Regelung die Unterstützung und Entwicklung von Nichtregierungsorganisationen sei und nicht die Finanzierung von Leistungen, die eigentlich das staatliche Gesundheitssystem zur Verfügung stellen müsste.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die teilweise sehr hohen Kosten, die im Frühjahr jeden Jahres durch die Werbung verursacht werden. Nicht wenige Organisationen geben einen großen Teil – manche bis zu 50 Prozent – der zu erwartenden Einnahmen für Werbemaßnahmen aus. Einige Politiker haben deshalb schon ein Werbeverbot für gemeinnützige Organisationen gefordert.

Die Einnahmen aus dem Prozent stiegen seit 2004 von Jahr zu Jahr. So ist auch für 2013 damit zu rechnen, dass noch mehr Steuerpflichtige von der Regelung, die Verwendung eines geringen Teils ihrer Abgaben selbst zu bestimmen, Gebrauch machen werden und die Summe daraus vielleicht erstmalig die 500-Millionen-Złoty-Grenze übersteigen wird.