Geschirr ist nachzuspülen: Steffen Möller blickt in deutsch-polnische Beziehungen

Deutsch-polnische Paare sind nicht so selten. Alle, die diesen Beitrag lesen, haben ganz sicher im Bekanntenkreis mindestens ein solches. Steffen Möller hat ein Buch über deutsch-polnische Paare geschrieben: “Weronika, dein Mann ist da!”. Ob es sich lohnt, die 334 Seiten zu lesen?

Ich bin befangen: Selbst stecke ich seit einer zweistelligen Zahl von Jahren mitten in einer deutsch-polnischen Ehe. Ich wäre also als  Protagonist von Möllers Buch in Frage gekommen. Immerhin lautet der Untertitel “Wenn Deutsche und Polen sich lieben”. Aber andererseits bin ich nicht nur befangen, sondern kann meine eigenen Erfahrungen gegen die Möllersche Theorie setzen. Das ist vielleicht nicht hochwissenschaftlich, aber erlaubt. Also los.

 

Wissenschaft, Anekdoten und Berichte

Möller hätte das Buch auch anders angehen können. Etwa mit dem Titel “Dimensionen, Erfolgsparameter und soziale Aspekte deutsch-polnischer Paarbeziehungen im Lichte der gegenwärtigen Gesellschaftsformen in Polen und Deutschland”. Das hat er zum Glück nicht getan. Wenn der Titel “Weronika, dein Mann ist da!” auch aus seiner Sicht diskussionsfähig ist: Er gibt perfekt Auskunft über Form und Spaßfaktor des Buchs.

Cover des Buchs von Steffen Möller. Quelle: Piper
Cover des Buchs von Steffen Möller. Quelle: Piper

Die Vorgehensweise des Autors: Ausgehend von Klischees und den wenigen bekannten Zahlen zum Paarungsverhalten zwischen Deutschen und Polen startet er mit dem Versuch, Zahlen zu detaillieren. Knapp, aber hilfreich. Dann geht er in Gespräche mit Betroffenen und lässt sich viele Geschichten erzählen. Von in Polen lebenden deutsch-polnischen Paaren, in Deutschland lebenden. Von gemischt- und gleichgeschlechtlichen Paaren und allerlei Variationen. Auf dieser Basis versucht er, Muster zu erkennen. Und verzichtet dabei auch nicht auf Anekdoten und eine charmante Schreibe.

Lesespaß-Note: 2. Warum nur die 2 und nicht die 1? Es gibt Passagen, die sich wiederholen. Oder zu lang sind. Zumindest kam es mir so vor, aber (siehe vorstehend): Ich bin vorbelastet.

 

Klischees

Vorurteile helfen im Alltag, konstatiert Möller zu Beginn seines Buchs. Um sie andererseits natürlich auch kritisch zu sehen. So sind deutsche Frauen aus polnischer Klischeeperspektive überemanzipierte, ungepflegte und karriereorientierte Personen. Den polnischen Frauen wird dagegen gutes Aussehen, Fürsorglichkeit und perfekte Körperpflege attestiert. Bei Männern sind die Positiv-negativ-Klischees quasi umgekehrt.

Natürlich stimmen sie nicht.

Aber: Sie bieten Raum für Diskussionen, den Abgleich mit der Wirklichkeit. Und Möller findet auch zahlreiche Beispiele dafür, dass die Wirklichkeit eben nicht die Klischeewelt ist.

Allerdings finden sich in vielen Zitaten und Anekdoten der Befragten gerade diese Klischeebilder wieder. So werden immer wieder Männer zitiert, die Klischees zur “polnischen Übermutter” zum Besten geben. Und Frauen, die den Perfektionisten in Deutschland suchen. Ein bisschen führt sich die Distanz zu den Klischees dabei ad absurdum. Andererseits: Ich bin selten so stark angestupst worden, die konkreten Klischee-Fettnäpfe zu hinterfragen.

Denkanstoß-Note: 1.

 

High Noon beim Abspülen und beim Duschen

Duschbrause. Image by tookapic from Pixabay
Duschbrause. Image by tookapic from Pixabay

Deutsche Männer duschen morgens. Polnische Männer am Abend. Es scheint tatsächlich eine Kultursache (ohne wissenschaftliche Evidenz, aber nach eigener Wahrnehmung) zu sein. Kein Klischee. Das kann in deutsch-polnischen Beziehungen schon mal ein größerer Diskussionspunkt werden, wie ein Zitat zeigt. Da regt sich eine Polin auf, dass sie den Mann nicht tagsüber sauber sehen muss, sondern lieber abends sauber im Bett haben möchte.

Die Diskussion kenne ich. Manchmal dusche ich nun auch abends.

Möller findet Paare, bei denen darüber diskutiert wird: Muss man nach dem Abspülen das Spülmittel noch mal separat unter laufendem Wasser abwaschen? Hatte ich schon gesagt, dass ich das heute auch tue? Ungeachtet des Wasserverbrauchs?

Wiedererkennungs-Note deutsch-polnischer Beziehungserfahrungen: 2.

Die Note 1 habe ich einer vollständigen Übereinstimmung der deutsch-polnischen Beziehungsauffälligkeiten zugedacht. Es gibt viele Stellen im Buch, die Beispiele dafür bringen. Sorry: Bei einigen Beispielen ist es bei uns gerade umgekehrt. Ein Beispiel: Die Strukturiertheit beim Herangehen an komplexe Heimwerkerprojekte ist, selbstkritisch, nicht meine Stärke. Die meiner Frau absolut.

 

Zack, weggelesen

334 Seiten? Ehrlich? Langatmig wird es fast nie: Möller findet tolle Protagonisten, reflektiert selbstkritisch seine TV-Ehen, stellt interessante Gedankenexperimente an. Das Buch war bei mir trotz oder gerade aufgrund der Vorbelastung ruckzuck weggelesen. Ob das bei nicht befangenen Lesern auch so ist? Ich weiß es nicht – vielleicht mag jemand etwas dazu sagen. Denn: Befangenheit kann ich nicht abschalten.

Lesetipp: 100%. Vor allem für alle, die Erfahrungen mit deutsch-polnischen Beziehungen haben. Aber bestimmt auch andere. Es ist nicht nur eine ohnehin schon unterhaltsame Sammlung von typischen Konflikten oder Chancen. Nein, auch ein Anlass, sich selbst Gedanken zu machen. Eines von Steffen Möllers besten Büchern, und das will etwas heißen. Es lohnt sich!

 

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Mehr über Steffen Möller auf seiner Website: http://steffen.pl/

Das Buch beim Verlag (Piper): https://www.piper.de/buecher/weronika-dein-mann-ist-da-isbn-978-3-89029-518-3

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Bildquelle Cover: Piper, Bildquelle, Duschbrausenbild: Image by tookapic from Pixabay, Spülbild: Image by Hans Braxmeier from Pixabay