Datum/Zeit
Date(s) - 09/01/2018
19:00 - 21:00
Veranstaltungsort
Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Kategorien
Sind syrische Kriegsflüchtlinge „Vertriebene“? Kann man ihre Erlebnisse mit den Erfahrungen deutscher Heimatvertriebener oder sogar polnischer „przesiedleńcy“ vergleichen? Wo sind die Grenzen einer solchen Analogie? Das ist keine abstrakte oder gar konstruierte wissenschaftliche Problemstellung, sondern Teil der aktuellen öffentlichen Debatte über syrische Flüchtlinge und den europäischen Umgang mit ihnen. Der Vortrag nutzt diese Debatte als analytischen Zugang zur deutschen Erinnerung an „Flucht und Vertreibung“ und zeigt wie die Referenz zur Zwangs-migration tagesaktuell Handlungsmacht generiert. Ganz unterschiedliche Akteure nutzten und nutzen solche historischen Analogieschlüsse und besonders universalisierende Deutungen von Zwangsmigration, um in gegenwärtigen Zusammenhängen konkrete Interessen durchzusetzen, sei dies in der Flüchtlingsfrage oder der Musealisierung von „Flucht und Vertreibung“. Solche Universalisierungen greifen die europäischen und globalen Rekontextualisierungen von Zwangsmigration auf, die seit den Auseinandersetzungen um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ die Erinnerung an „Flucht und Vertreibung“ bestimmen.
Dr. Gregor Feindt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Europäische Ge-schichte. Im akademischen Jahr 2015/2016 vertrat er die Juniorprofessur für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas mit Schwerpunkt Polen an der Universität Bremen. Er arbeitet zur trans-nationalen Zeitgeschichte Ostmitteleuropas, mit dem Schwerpunkt Tschechoslowakei und Polen, und untersucht in seinem Postdoc-Projekt die Planung, Erfahrung und Bewältigung industriel-len Lebens in der Tschechoslowakei, 1920-1960. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehören Auf der Suche nach politischer Gemeinschaft. Oppositionelles Denken zur Nation im ostmitteleuropäischen Samizdat, 1976–1992 (Berlin: de Gruyter Oldenbourg 2015) und Euro-päische Erinnerung als verflochtene Erinnerung. Vielstimmige und vielschichtige Vergangen-heitsdeutungen jenseits der Nation, herausgegen zusammen mit Félix Krawatzek, Daniela Mehler, Friedemann Pestel, Rieke Trimçev (Göttingen: Vandehoeck & Rupprecht 2014).