Skurrile polnische Feiertage – Von Krapfen-Exzessen, erlaubten Schulrevolten, Ganzkörperduschen im Freien und Winterabschieden

Pączki! Autor: Bogumil Palka

Andere Länder, andere Sitten – das sagt man so für gewöhnlich, wenn man Dinge im Ausland einzuordnen versucht, die es hierzulande gar nicht gibt. In Polen warten diesbezüglich gleich vier solche Erlebnisse – und manche davon sind so skurril, dass sie eigentlich in einem Comedy-Programm stattfinden sollten. Schön aufgepasst, hier kommen besondere Highlights, die man (und Frau erst recht, aber lest selbst) in unserem Nachbarland auf dem Schirm haben sollte.

Tłusty Czwartek – Der Tag der unwiderstehlichen Berliner

An Tłusty Czwartek (Fetter Donnerstag) wird das Kalorienlimit mit einem breiten Lächeln ignoriert: In jeder polnischen Bäckerei und in allen Supermärkten des Landes warten Pączki [pontschki], die polnischen Berliner beziehungsweise Krapfen, prall gefüllt mit süßen Leckereien – von Marmelade bis hin zu cremigen Überraschungen, mit Puderzucker oder Zuckerguss obendrauf. Hier gilt: Je mehr, desto besser. Wer an diesem Tag, dem letzten Donnerstag vor Aschermittwoch nur einen Pączek genießt, riskiert nicht nur seinen Wohlstand für den Rest des Jahres, sondern verpasst zudem die Gelegenheit, sich in Zucker-Glückseligkeit zu verlieren. Die günstigsten Pączki sind beim Kauf von mehreren Dutzend für weniger als einen Złoty zu haben. Die teuersten, gerne auch mit Goldblättchen garniert, kosten schon mal hundert Złoty aufwärts.

Dzień Wagarowicza – Der Tag der schulischen Rebellion

Pünktlich zum Frühlingsanfang wird in Polen der Ernst des Schulalltags in Kurzurlaub geschickt. Denn jedes Jahr auf Neue beschließen die polnischen Schüler*innen zu der Zeit die Schulbank links liegen zu lassen. Dieser Tag des kollektiven Schulschwänzens wird fast schon als inoffizielle Landessportart zelebriert. Und hat zufolge, dass sich die polnischen Straßen schon mal vormittags mit bunt verkleideten Schulpflichtigen füllen. Die Schulleitungen drücken dabei beide Augen zu. Gleichwohl versuchen sie mit Konzerten, Workshops und allerlei spannenden Aktionen, ihre „Abenteurer“ doch noch in die Klassenräume zurückzuholen. Der Erfolg dieser Versuche hält sich jedoch in Grenzen. Gelinde ausgedrückt.

Topienie Marzanny – Der symbolische Abschied vom Winter

Ok, zum Frühlingsbeginn machen die polnischen Schülerinnen also blau. Aber was macht eigentlich der Rest? Die prompte Antwort darauf lautet: Er ertränkt feierlich eine kunstvoll gestaltete Strohpuppe, die Marzanna [maschanna], welche die kalten, dunklen Tage symbolisiert. Und wenn kein geeignetes Gewässer in der Nähe ist, dann wird die Gute auch schon mal vor versammelter Mannschaft verbrannt. Dieser Brauch, der tief in alten slawischen Traditionen verwurzelt ist, verkörpert den mutigen Schritt ins Neue: den Abschied von der Kälte und die herzliche Begrüßung des Frühlings. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge wird so der Winter symbolisch abgelegt und Raum für frische, lebensbejahende Energie geschaffen.

Śmigus-Dyngus – Der Tag, an dem niemand trocken bleibt

Schreiten wir im Jahresverlauf voran. Ostermontag in Polen verwandelt sich wortwörtlich in ein spritziges Spektakel: Mit Wasserpistolen, Eimern und jeder Menge Schaumattacken wird niemand verschont – vor allem nicht diejenigen, die gerade noch trocken gewunken haben. Dieser Brauch, der Glück und Frische verspricht, sorgt dafür, dass man sich im wahrsten Sinne des Wortes nass macht. Ob als Zielscheibe oder als aktiver Wasserkrieger, an diesem Tag ist Trockenbleiben definitiv keine Option. Vor allem nicht für die Damen – dem absoluten Lieblingsziel junger „Wassermänner“. Wie auch beim Pączki-Mampfen hat hier die Devise „weniger ist mehr“ nichts zu suchen. Glücklicherweise reicht ein lauter „Stopp“ in der Regel aus, um verschont zu werden. Allerdings riskiert man damit weniger Glück, vor allem in der Liebe. Jede solche Aufforderung sollte also gründlich durchdacht werden.

Diese vier skurrilen Tage zeigen eindrucksvoll, wie Polen das Leben feiert – mit viel Humor, kreativen Traditionen und einzigartigen Freuden. Ob süßer Genuss, rebellische Freiheit, der symbolische Abschied vom Winter oder kühles Nassunser Nachbarland verleiht der Redewendung „andere Länder, andere Sitten“ eine ganz eigene, erfrischende Bedeutung.