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Fisch im Portemonnaie und Mohn in den Schuhen: Silvester in Polen

(Berlin, MH/JW) Ein Artikel über Silvester in Polen – lohnt sich das denn? Ist Silvester denn nicht ein global standardisiertes gesellschaftliches Ereignis mit den fakultativen Modulen Party, Bleigießen, Dinner for One und Feuerwerksraketen um Mitternacht?

So ein Artikel lohnt sich: Wer in Polen Silvester feiert, stößt auf ganz andere Bräuche und Sitten. Dafür finden Bräuche, die in Deutschland in der Neujahrsnacht ein ‘Muss’ sind, sich in Polen an ganz anderen Feiertagen.

Keine Krapfen, Berliner, Pfannkuchen…

Berliner – in Berlin Pfannkuchen genannt – gibt es jedenfalls in Polen an Silvester nicht. Das bedeutet nicht, dass man den Krapfen in Polen nicht schätzt: Dieser Pfannkuchen, meistens gefüllt mit süßer Marmelade oder Pflaumenmus, heißt in Polen Paczek. Und es gibt ihn in genau so vielen Variationen in Bezug auf die Füllung und den Überzug wie in Deutschland. Massenhaft vernichtet wird diese süße und nahrhafte Speise allerdings bei Polen nicht zum Neujahrsfest, sondern am so genannten ‘Fetten Donnerstag’. Das ist der Donnerstag vor Aschermittwoch und der damit beginnenden Fastenzeit. Gewissermaßen also ein letzter Kalorienbringer vor der Fasten-Dürre.

Bleigießen – nein Danke!

Silvester in Polen: Feuerwerk gibt es auch. Foto: Polen.pl (JW)

Polen, die zu Silvester Bleigießen machen, zählen zu einer durch andere Einflüsse veränderten Minderheit: Man gießt in Polen kein Blei zu Silvester. Wenn man schon gießt, dann doch Wachs. Das aber auch nicht in der Nacht vor dem neuen Jahr, sondern zu ‘Andrzejki’, dem Andreastag. Der Andreastag ist der letzte Samstag vor dem Advent. Ansonsten ist der Sinn der Sache derselbe: Wachs ins Wasser geschüttet, und die Zukunft ist klar. Wissenschaftliche Studien über die Zuverlässigkeit der Bleigieß-Ergebnisse im Vergleich zum Wachsgießen stehen unseres Wissens noch aus.

Was macht man dann in Polen an Silvester?

Keine Krapfen, kein Bleigießen? Was macht man in Polen denn nun in dieser jahrestrennenden Nacht? Wie fast überall auf der Welt sind ein paar Standardmodule dabei: Viel Tanz, viel Musik, ‘Szampan’ (also Champagner oder als Champagner bezeichneter Sekt, darauf kommt es nicht so an) und ‘Fajerwerki’ (Feuerwerk).

Aber es geht weiter, und da gibt es noch spannende Dinge zu entdecken. Das meiste davon kann man – ganz ungefährlich – auch einmal ausprobieren. Schaden kann es sicher nicht.

Wenn Sie beispielsweise im neuen Jahr mehr Glück als im vorherigen Jahr haben möchten, kennt man in Polen ein Geheimrezept. Mit ein bisschen Vorsorge ist das schnell gemacht, wenn auch nicht immer einfach. Man sollte alle Schulden abbezahlen (Bankkredite unterliegen leider keinem Sonderstatus, allerdings reicht es nach ungesicherten Quellen aus, nicht im Zahlungsrückstand zu sein). Und nun der Geheimtipp: Eine Schuppe des Karpfens vom Heiligen Abend in das Portemonnaie legen: Das fördert den Geldfluss. Kein Karpfen zur Hand? Wer eine ordentliche polnische Weihnacht gefeiert hat, hat auch einen Karpfen gegessen.

Möchte man das Glück nicht aus dem Haus vertreiben, darf am Silvestertag nicht mehr geputzt werden! Und: Der Kühlschrank muss voll sein: Das vermeidet, dass den Kühlschrankinhaber Armut erreicht.

Ein weiterer Tipp, damit im neuen Jahr alles besser wird: Um Mitternacht alle Uhren aufziehen sowie die Fenster und Türen breit öffnen. So fühlen sich das neue Jahr und die guten Geister bei Ihnen willkommen; alles, was alt und böse war, vergeht damit endgültig. Gar nicht so schwer, oder?

Partnersuche

Auch unverheiratete Frauen können die Silvesternacht zur Vorbereitung größerer Veränderungen im eigenen Leben nutzen: Für sie ist es wichtig, nach Mitternacht alle Gespräche der Gäste zu verfolgen. Der erste männliche Name, der in diesen Gesprächen fällt, bezeichnet den zukünftigen Ehemann. So ist zumindest schon klar, welchen Vornamen der Glückliche tragen wird. Damit das mit der Verehrerschaft bei den Damen beschleunigt wird, gibt es noch einen Silvesterbrauch aus Polen: Etwas Mohn in den Schuhen soll dazu führen, dass die Zahl der Verehrer steigt.

Szczesliwego Nowego Roku

Was klingt wie eine neue rockige Musikrichtung aus Schweden, ist ein polnischer Neujahrsgruß: ‘Szczesliwego Nowego Roku’ (Glückliches Neues Jahr, gesprochen etwa Schensliewägo nowägo rocku) – ist der typische Wunsch zum neuen Jahr. Diesen spricht man aus, wenn um Mitternacht angestoßen wird. Oft hört man auch ‘Do Siego Roku’, ein altes slawisches Sprichwort, etwa gleichbedeutend dem deutschen ‘Guten Rutsch’. Bei beiden Begriffen, dem deutschen wie dem polnischen, weiß eigentlich niemand genau, was damit gemeint ist – aber es wird schon etwas Gutes sein!

In diesem Sinne: Ein gutes, glückliches, erfolgreiches, zufriedenes und gesundes neues Jahr wünschen wir vom Polen.pl-Team Ihnen!

Szczesliwego Nowego Roku!

Jens Hansel

Jens kümmert sich bei Polen.pl heute vor allem um die technische Basis der Internetseite. Gemeinsam mit Bartek rief er Polen.pl ins Leben und war viele Jahre Polen.pl e.V.-Vorstandsvorsitzender. Seine Themen sind Digitalisierung, Gesundheitswesen und Verständigung. Seit der Teilnahme an einem Deutsch-Polnischen Begegnungsprojekt im Jahre 1995 ist er begeistert von Polen. Sein Lieblings-Urlaubsort ist Kolobrzeg (Kolberg/Polen), wohin er seit vielen Jahren auch familiäre Bindungen pflegt. Marathonlaufen, Winter- und Wassersport sind sein Ausgleich zum Alltag. (E-Mail: jens@polen.pl)

View Comments

  • Ich war vor einigen Jahren mal in Polen zu Silvester, weil wir Freunde von da haben. Tatsächlich wurde wirklich viel getanzt, wir waren da in einem Dorf, in dem eigentlich alle zusammen gefeiert haben und nicht wie in Deutschland jeder im kleineren Kreis… hat mir also an und für sich sehr gut gefallen. ?

  • Das mit dem Karpfen ist ja auch noch etwas weiter östlich angesagt, die Schuppen im Geldbeutel solllen da auch für Wohlstand sorgen. Das hat mir eine Bekannte aus Königsberg erzählt. Schön, die Idee mit dem Namen für den Mann; ich werde mich mal ins Gespräch bringen… :-))

  • In Krakow habe ich den Jahreswechsel 2010/2011 erlebt mit klirrender Kälte, viel Musik und Sekt und Wein und großen, fröhlichen Familientischen im Hotel. Das Feuerwerk war eindrucksvoll nur vor den Tuchhallen auf dem weiten Marktplatz, dazu ein Glockenläuten über der Stadt – unvergesslich! Wie schön mag es erst im Sommer sein.. Ich komme wieder.

  • Z tradycji „noworocznych“ dodałabym jeszcze jedną (moi rodzice do dzisiaj to praktykują) – w Nowy Rok pierwszym gościem w domu powinien być mężczyzna! W związku z tym z samego rana mój ojciec „odzwiedza“ sąsiadów, a sąsiad przychodzi do moich rodziców (by przypadkiem jakaś kobieta nie była szybsza ? ).
    Nie mam pojęcia – dlaczego!
    Oprócz łusek karpia w noc sylwestrową trzeba mieć też przy sobie chociaż jedną monetę – wtedy w Nowym Roku nie zabraknie ich nam ?
    Pozdrawiam z Polski

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