Ehre der Ukraine

“Ehre der Ukraine!”. So beendet der tapfere ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj viele seiner Liveschaltungen und Konferenzen, in denen er seinen Landsleuten Mut zuspricht und der Welt von dem Kriegsgeschehen in seinem Land berichtet.

“Ehre der Ukraine” rufen sich stets die ukrainischen Soldaten und Freiwilligen zu, die Tag für Tag ihre Häuser, ihre Familien und ihre Heimat vor den russischen Invasoren verteidigen. Auch viele Gespräche und Nachrichten, die ich mit meinem Lemberger Freund Bogdan wechsle, enden mit diesem Satz.

Doch was ist die “Ehre der Ukraine” eigentlich? Wo ist sie zu finden? Ist sie etwa ein Ausdruck überschüssigen Patriotismus? Eine verbale Demonstration nationalistischer Tendenzen? Eine Steilvorlage also für die putinsche Propaganda, die die Ukrainer und ihre politische Führung als “drogenabhängige Neonazis” diffamiert?

Nein, die “Ehre der Ukraine” ist nichts dergleichen. Sie ist immateriell und doch ganz handfest. Sie ist leicht zu übersehen und doch allgegenwärtig.
Es sind die Trümmern kaputter Häuser. Es sind die bombardierten Städte. Die Menschen, die allen Widrichkeiten zum Trotz sich gegen eine Übermacht zur Wehr setzen. Es sind schließlich die Kinder, die seit Tagen in den Kellern und U-Bahn-Schächten ausharren.

Das ist die “Ehre der Ukraine”. Und im Gegensatz zu allem Materiellen, ist sie durch nichts und niemand kaputt zu kriegen. Keine Panzer, keine Raketen und auch keine “Befreiungstruppen” könnten sie je bezwingen.

Ein Gedanke lässt mich seit dem Beginn des Krieges nicht los. Und er wächst mit jedem zerbombten Haus und jeder getrennten und vertriebenen Familie.
Der Gedanke lautet: Die Ehre der Ukraine ist zugleich Russlands Schande.

(Kommentar)