Fortsetzung von “Polen wiederentdeckt. Teile 1 und 2” (veröffentlicht am 10. und 17. Februar 2020)
Auf Entdeckungstour durch Nordostpolen
Im Sommer 2018 ging es los. Zusammen mit einer Freundin reiste ich zunächst mit der Bahn von unserem Wohnort Hannover nach Warschau. Wir durchstreiften es einen Tag lang kreuz und quer mit den Fahrrädern. Wir besuchten das ausgesprochen informative Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN. Dann ging es mit der Bahn weiter nach Białystok.
Für Tagesbesucher wie uns ist in Białystok von der langen reichen jüdischen Geschichte nichts mehr zu spüren bzw. zu sehen. Stattdessen erlebte ich auch hier eine kleinere Stadt im Aufbruch mit einer frisch erneuerten Lindenallee im Zentrum.
Stationen einer Radwanderung
Ab Białystok ging es mit den Fahrrädern weiter. Zunächst in die Urwaldregion von Białowieża, entlang der Grenze zu Belarus Richtung Norden durch den Biebrza-Nationalpark nach Augustów, Wigry, Suwałki und schließlich Gołdap an der Grenze zu Russland. Von dort entlang der Grenze nach Węgorzewo. Weiter ging es westwärts über Lwowiec (das Heimatdorf meines Vaters, in das ich unbedingt noch einmal wiederkehren wollte) nach Bartoszyce.
Von hier aus fuhren wir weiter nach Frombork und Tolkmicko. Dort nahmen wir die Fähre über das Frische Haff (Zalew Wiślany) nach Krynica Morska auf der Frischen Nehrung (Mierzeja Wiślana). Über die Nehrung radelten wir nach Danzig. Auf dem Weg besuchten wir das ehemalige KZ Stutthof (Sztutowo). In Danzig begeisterte es mich besonders, wie in dem Museum des Zweiten Weltkrieges (Muzeum II Wojny Światowej) diese komplexe Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und dargestellt wurde.
Von Danzig radelten wir nach Łeba an der Ostseeküste am gleichnamigen See, durch den Slowinzischen Nationalpark (Słowiński Park Narodowy) nach Kluki. Dabei handelt es sich um ein Museumsdorf, in dem man sehr lebendig erleben kann, wie die Menschen (darunter auch meine Vorfahren) ihr Leben bewältigten. Außerdem fuhren wir nach Glowczyce, in die Heimatregion meiner Mutter. Weiter ging es nach Słupsk, von dort ein Stück mit der Bahn nach Szczecin und von dort weiter mit dem Rad nach Berlin. Dort endete die Reise.
Kontrastreiche Landschaften
In drei Wochen legten wir rund 1.400 km mit dem Fahrrad zurück. Dabei bekamen wir eine Ahnung von der großen Vielseitigkeit, der man in Polen begegnet. Mich faszinierte der Kontrast zwischen dynamischen modernen Städten, in denen eine ganz besondere Aufbruchstimmung spürbar ist, den überwiegend landwirtschaftlich geprägten, ärmeren ländlichen Gegenden, und der Einsamkeit inmitten ursprünglicher Natur in den zahlreichen Nationalparks. Die Dörfer in den verschiedenen Grenzregionen wirkten auf uns teilweise wie „aus der Zeit gefallen“. Es war, als ginge man auf eine Zeitreise zurück in die Zeit vor 1939. Wenn ich nicht schon Polen „verfallen“ wäre, dann wäre es spätestens nach dieser Tour um mich geschehen.