Arbeitsreise mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender unter dem Arbeitstitel „Land in Sicht – Zukunft ländlicher Räume“
Tantow. (ASC/Polen.pl) In den Nachwendejahren drohte der Oderregion zwischen Löcknitz in Mecklenburg-Vorpommern, Schwedt, Hohenwutzen und Frankfurt an der Oder in Brandenburg fast das Schicksal „auszusterben“.
Die einstigen DDR-Vorzeigebetriebe in der Landwirtschaft wurden abgewickelt, ganze Wohnsiedlungen zurückgebaut und eine Art Landflucht in die alten Bundesländer – dorthin wo es Arbeit gibt – setzte ein. Zurück blieben „die Alten und Schwachen“ und manches Dorf war fast schon zum Aussterben verurteilt. Doch spätestens mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union und dem Wegfall von Grenzkontrollen und bestehenden Beschränkungen in der Arbeitnehmerfreizügigkeit blühte die Region regelrecht auf.
Aus der Hafenmetropole Szczecin (Stettin) siedelten immer mehr Polen ins ostdeutsche Niemandsland über und preiswert verlassene Bauernhöfe aufzukaufen und den steigenden Mietpreisen in Szczecin zu entfliehen. Und plötzlich war da wieder Leben im Dorf. Einige machten sich selbstständig mit Immobilien- und Beratungsbüros, kauften Dorfkneipen auf und erkannten die Zeichen der Zeit, dass mit dem wachsenden Fahrradtourismus – insbesondere angekurbelt durch den Oder-Neiße-Radwanderweg – der Lebensunterhalt zu bestreiten ist. Wieder andere engagieren sich in Gemeinderäten, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder organisieren private Sprachkurse.
Eine durchaus positive Entwicklung die auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiser im „fernen“ Berlin wahrgenommen hat und in Begleitung seiner Ehefrau Elke Büdenbender und dem SPD-Landtagsabgeordneten Mike Bischoff die Gemeinde Tantow im brandenburgischen Amtsbereich Gartz (Oder) gelegen besucht. Auch CDU-Uckermark-Landrätin Karina Dörk u.a. waren zugegen. Rund 800 Einwohner leben in Tantow und das Örtschen ist zudem letzter Bahnhalt an der Eisenbahnlinie Berlin – Szczecin vor der Staatsgrenze. Die Strecke soll in den nächsten Jahren zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden. Im Amtsbereich Gartz (Oder) ist mittlerweile etwa jeder Zehnte ein polnischer Zuzügler.
Von dieser Entwicklung hat insbesondere die Tantower Kindertagesstätte „Abenteuerland“ in Trägerschaft der Volkssolidarität profitiert. Polnische Kinder machen die Hälfte der Belegungszahl aus. Bis Jahresende werden alle 75 Kitaplätze belegt sein, war zu erfahren. Zwei Hände voll Erzieherinnen und Erzieher kümmern sich um die Sprösslinge, darunter eine Polin. Doch sie wusste zu berichten, trotz Arbeitnehmerfreizügigkeit war es gar nicht so einfach gewesen eine Anerkennung ihrer Erzieherausbildung in Polen in der Bundesrepublik zu erlangen. Da hätten auch nicht die 13 Jahre einen Eindruck gemacht, die sie in ihrer Heimat schon im Beruf tätig war.
Erst eine dreijährige Weiterbildung und ein damit verbundenes Praktikum verhalfen ihr zur endgültigen Anerkennung. Ein Umstand, welcher den Bundespräsidenten und seine Ehefrau nachdenklich stimmten. Beide wollten natürlich vom Kitateam auch wissen wie das denn mit der Sprachbarriere denn so funktioniert? „Super, keine Probleme!“ war die einstimmige Antwort von Kitaleitung und dem Team. Die Kinder, auch wenn sie noch überhaupt kein deutsch könnten, sie würden spätestens nach einem halben Jahr die Grundkenntnisse haben um sogar ihre Elternhäuser bei Übersetzungen zu unterstützen.
Ähnlich gut läuft es auch in der im Ort befindlichen evangelischen Salvetalgrundschule. Die Einrichtung in freier Trägerschaft besteht nunmehr im 11. Jahr. Als die staatliche Grundschule schließen musste, wegen zu weniger Einschulungszahlen, gründete sich ein Trägerverein, die Nordkirche unterstützte und es soll bis zum heutigen Tag eine Erfolgsgeschichte bleiben.
In der Salveytalgrundschule kommt übrigens nicht nur die Hälfte der SchülerInnen aus Polen sondern auch die Hälfte des Lehrerkollegiums. Wenn auch bei schlechterer Bezahlung als an staatlichen Einrichtungen, doch allemal ein Sprungbrett für LehrerInnen aus Polen die ebenfalls nicht unmittelbar, auf Grund von Komplikationen im Anerkennungsverfahren ihrer Berufsabschlüsse, nicht sofort in den Staatsschuldienst einsteigen können.
Der Bundespräsident und seine Ehefrau bekamen bei ihrem rund 30-minütigen Aufenthalt auch noch deutsche und polnische Kinderlieder vorgetragen, kamen mit Eltern in den Dialog über die ländliche Daseinsvorsorge und auch so manches mahnende Wort mit auf den Weg. So fehle es noch immer an grenzüberschreitenden Busverbindungen, schnellen Mobilfunknetzen und auch die ein oder andere Kreisstraße sei noch nicht auf dem Niveau wie man es gern hätte. Auch würden für viele Eltern gut bezahlte Arbeitsplätze fehlen, im Bereich der Pflege und bei Fachkräften im Baubereich hingegen fehlten jedoch entsprechend ausgebildete Leute. Dies konnte bisher auch nicht der stetige Zuzug der Polen kompensieren.
Freiwillige Feuerwehr gegen Dorffußball
Weitere Station in Tantow war der Besuch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Auch hier macht sich der Zuzug von polnischen Landsleuten durchaus positiv bemerkbar. 11 der 40 aktiven KameradInnen sind Polen. Es könnten mehr sein. Als eine „starke Konkurrenz“ bezeichnete Judendwartin Juliane Becker den Fußball. Augenscheinlich ein Lieblingshobby Nummer Zwei bei Polen und Deutschen gleichermaßen.
Der Bundespräsident erfuhren von der Wehrführung das in diesem Jahr bereits 12 Einsätze geleistet werden mussten. Ein neues Löschfahrzeug werde noch in diesem Jahr beschafft, dazu investieren Amt und Land 350.000 Euro. Denn mit dem Ausbau der Bahnlinie Berlin – Szczecin und dem damit zunehmenden Güterverkehr werden die Aufgaben- und Gefahrenbereiche der freiwilligen Helfer künftig noch anspruchsvoller.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke fehlte – aus einem guten Grund
Beim Thema Feuer kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei dieser Gelegenheit auch der Einfall den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg Dietmar Woidke zu entschuldigen. Dieser sei auf Grund von verheerenden Waldbränden am Stadtrand von Berlin in dieses Katastrophengebiet unterwegs um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Steinmeier sagte außerdem: „Meine Gedanken sich bei den Kräften von TWH, Feuerwehr und Bundespolizei die gegen diesen Brand gigantischen Ausmaßes ankämpfen und bei denen die Angst um ihr Hab und Gut haben“.
Anschließend zeigten sich Bundespräsident und Ehefrau ganz begeistert von einem nostalgischen DDR-Feuerwehr-Trabi und stiegen kurzer Hand ein für ein Pressefoto.
Gespräch mit Beamten der deutsch-polnischen Grenzstreife
Bevor der Bundespräsident und sein Gefolge in die Uckermark-Kreisstadt Prenzlau weiterreisten war noch Zeit um sich im diskreten Gespräch über die Kriminalitätslage an der offenen Grenze zu unterhalten. Sicherlich haben die Beamten ihm dabei auch über ihre Nöte in rechtlichen und vor allem personellen Fragen einiges mit auf den Weg gegeben. Die die Landes- und insbesondere Bundespolizei und auch der Zoll kämpfen mit vermehrtem Einbruchdiebstahl und Autoklau. Eine Schattenseite der offenen Grenze, ebenso wie es in Neubaublöcken in der Region so manche Scheinadresse gibt. Polen die einfach nur Sozialleistungen abkassieren wollen und in der Heimat schwarz arbeiten. Immerhin, das Sozialamt im Ladkreis Uckermark steckt solche Klientel zunehmend in Sprachkurse um diesem Umstand wenigstens ein bisschen Einhalt zu gebieten. Durch die Abnahme der Flüchtlingszahlen gibt es viele freie Plätze, diese werden nun mit polnischen Zuzüglern gefüllt, die meinen sich auf einer „sozialen Hängematte“ ausruhen zu müssen. Es sei jedoch betont, dies macht den geringsten Teil der Neubürger im Amtsbereich Gartz (Oder) aus.
Am Rande des Besuchs des Bundespräsidenten gab es dann doch noch einen mittelschweren Fauxpas zu vermelden. Der amtierende und ehrenamtliche Bürgermeister von Tantow, Andreas Meincke, von Berufs wegen Bundespolizeibeamter, er durfte nicht beim Besuch des Staatsoberhauptes teilnehmen. Grund war nach der Aussage des Amtsdirektors von Gartz (Oder), Frank Gotzmann, dass er sich zunächst krank gemeldet hatte und dann nicht für den Besuch habe auf die Gästeliste setzen lassen.
Aus Sicherheitsgründen konnte vom Protokoll auch nicht abgewichen werden. Als Andreas Meincke (parteilos) dies nicht akzeptieren wollte musste ein Platzverweis ausgesprochen werden.
Polen.pl nun noch mit den „Bildern des Tages“ in unserer Fotostrecke (öffnet mit dem “KLICK” aufs Bild):