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Polen, die neue Weinnation?

Weingut ADORIA in der Nähe von Breslau, Foto: Winnica Adoria.

Die polnischen Nachbarn gelten als Wodka- und Bierliebhaber. Doch hier scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen: nicht nur das in Polen mehr Wein getrunken wird, auch der Anbau des edlen Tropfens erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Und die polnischen Weinreben tragen üppige Früchte, aus denen qualitativ hochwertige Spitzenweine entstehen.

Ein Hauch von Kalifornien in Niederschlesien (Dolny Śląsk)

Einer, der seine Weinleidenschaft zum Beruf gemacht hat, ist der Kalifornier Mike Whitney. Einst kam er als Lehrbeauftragter an die Technische Universität in Breslau (Wrocław), lernte dort seine Frau kennen und gründete in Polen eine Familie. Inmitten von kalifornischen Weinbergen aufgewachsen, wagte es der Bau- und Finanzexperte und legte unweit von Breslau in Zachowice ein eigenes Weingut an. Zu seinem Namen ADORIA kam das Gut dank der beiden Kinder der Whitneys: Adam und Wiktoria. Im Hinblick auf die klimatischen Bedingungen in Niederschlesien wählte Whitney für den Anbau robuste Weinreben: Pinot Noir, Chardonnay, Riesling sowie die lokale Sorte Bacchus. Im Jahre 2010 kamen die ersten Weinflaschen der Marke Adoria auf den Markt und erfreuten sich großer Popularität, unter anderem bei polnischen Top-Restaurants und 5-Sterne-Hotels. Polen.pl fragte den Gutsbesitzer nach den Einzelheiten auf dem Weg zum Erfolg.

Polen.pl: Herr Whitney, woher kam die Idee in Polen ein Weingut  anzulegen? Und was hat Sie schließlich dazu bewogen dieses riskante Vorhaben in die Tat umzusetzen?

Weingutsbesitzer Mike Whitney, Foto: Winnica Adoria.

Mike Whitney: Nachdem ich ein paar Jahre lang in Polen gelebt habe beschloss ich zu prüfen, ob die hiesigen klimatischen Bedingungen gut genug sind um ein Gut anzulegen, Weinreben zu pflanzen und Wein herzustellen. In Polen leben 38 Millionen Europäer aber es gibt hier keine Weingüter und lokalen Weine. Es ist an der Zeit das zu ändern.

Breslau liegt lediglich 200 km von Dresden entfernt. Die in der Region um Dresden produzierten Weine haben einen guten Ruf. Wenn es in Dresden klappt, warum sollte es nicht auch in der Umgebung von Breslau klappen? Konsultationen mit Önologen von der Universität in Siena sowie von der Universität in Oregon, die Analyse statistischer Daten bezüglich des Klimas in Niederschlesien und Boden- und Winduntersuchungen haben mich davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist.

Polen.pl: Waren die Probleme des Weinbaus in Polen eher klimatischer oder bürokratischer Natur?

Mike Whitney: Definitiv die Bürokratie. Um in Polen Wein zu produzieren und zu verkaufen braucht man 35 Lizenzen oder Einwilligungen verschiedener Behörden. Aber, so wie die Polen lernen Wein zu trinken, so lernen die Beamten wie man das Gewerbe von der formellen Seite her reguliert, und von Jahr zu Jahr wird der Kontakt mit den Beamten besser.

Und das Klima? Das Weingut Schloss Wackerbarth in Radebeul bei Dresden hat seine Freuden und Sorgen – wir haben die gleichen.

Polen.pl: Polen sind eher bekannt für ihren Konsum von Wodka und Bier, wie schätzen Sie ihre Einstellung zum Wein ein? Kann man von einer Veränderung ihrer Haltung in den letzten Jahren sprechen?

Mike Whitney: Mit Blick auf die Entwicklung meiner Firma, sage ich es mal so: vor drei Jahren, als ich mit dem Verkauf begann, haben mich die Polen wie einen Esel mit zwei Köpfen angeschaut. Ständig sagte man mir: „Es ist nicht möglich, dass Wein, und insbesondere solcher Wein, in Polen hergestellt wird.“ Jetzt gibt es so etwas praktisch nicht mehr. Jetzt sprechen wir über Geschmack und Geruch, die Struktur des Weines, über die Dauer der Lagerung, die Art der Fässer, also über alles worüber Winzer aus aller Welt sprechen.

Das wird von den Statistiken aus der ganzen Branche bestätigt. Von Jahr zu Jahr trinken die Polen mehr Wein und greifen dabei zu immer hochwertigeren Tropfen.

Polen.pl: Vielen Dank Herr Whitney!

Sind Sie auf den Geschmack gekommen? Auf der Seite des Weingutes Adoria, die auch auf Deutsch zur Verfügung steht, kann man den Qualitätswein Adoria problemlos online bestellen, sich für eine Besichtigung anmelden oder an einem der gelegentlichen Workshops zum Thema „Weinbau“ teilnehmen: www.winnicaadoria.pl.

Eine alte Tradition lebt wieder auf

Lagerung in Weinfässern, Foto: Winnica Adoria.

Wie das Fremdenverkehrsamt berichtet, stammt der Weinbau in Polen bereits aus dem 11. Jahrhundert. Damals wurden die Reben in den Regionen rund um Grünberg (Zielona Góra) und in der Woiwodschaft Karpatenvorland (Podkarpackie) angebaut. Für alle Interessierten gibt es in Grünberg ein Weinmuseum, welches die Entwicklung des Weinbaus in Polen seit dem Mittelalter bis in die heutige Zeit nachverfolgt (mehr Infos unter www.muzeumwina.pl – Seite auch auf Deutsch verfügbar). Seit den neunziger Jahren leben die Weinbautraditionen wieder auf: mehr als 500 Weingüter erstrecken sich über ganz Polen. Allerdings bleibt für den Großteil der Winzer der Anbau ein Hobby, nur einige wenige beschäftigen sich hauptberuflich mit der Weinherstellung.

polenpl

View Comments

  • Schon das Bier ist in Polen sehr gut. Wir haben aber im Bereich der Großen Masurischen Seen auch immer Skleps gefunden die auch guten Wein führten.
    Wir haben auch niemanden Wodka trinken gesehen, man scheint sich schon auch auf den Weinkonsum zu konzentrieren.
    Jedenfalls in den guten Supermärkten wie „Biedronka“ kann man fast alle Weinsorten erhalten.

    • Herr Steinacher,

      Das stimmt, polnisches Bier ist ein qualitativ sehr hochwertiges Produkt, welches auch im Ausland seine Abnehmer findet.
      Und im Hinblick auf den steigenden Weinkonsum ist es klasse, dass es immer mehr polnische Regionalweine gibt auf die man zurückgreifen kann.

  • Sehr interessanter Artikel. Vielen Dank für die tollen Informationen. Ich trinke sehr gerne Wein und probiere auch immer wieder gerne welche aus.

    Gruß Anna

  • Dieser Artikel ist dreieinhalb Jahre alt, aus den 35 Lizenzen sind wahrscheinlich jetzt 34 oder 36 geworden, deshalb sollte ihn die Redaktionskonferenz schleunigst entsorgen? Schade, schade, schade!

    Ungelogen gerade eben habe ich erstmals Weintrauben aus Grünberg gegessen und bin hellauf begeistert. Für mich ist der Artiktel deshalb hochaktuell.

    Oft beobachte ich ermutigende Beispiele, dass Multikulti funktioniert. Beim Türkenmarkt in der Genter Straße hat sich seit Monaten eine Polenfamilie unter anderem mit konkurrierenden Weintrauben dazwischengeschmuggelt, ohne dass irgendwelche Konflikte sichtbar sind.

    Ob das bei einer Türkenfamilie auf einem Markt in Polen derzeit auch friedlich bleiben würde?

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